Schimmer der Vergangenheit (German Edition)
ist“ aus dieser Zeit stammte. Wenn die Luft rein war, bedeutete das gleichzeitig, dass kein Mensch in der Nähe sein konnte. Wir lachten darüber, doch ich rümpfte angewidert die Nase und musste sofort an Schweinegesicht denken. In seiner Umgebung herrschte in mehrfacher Hinsicht dicke Luft.
Mit dem wenigen Wasser, das mir zur Verfügung stand, wusch ich mich am ganzen Körper. Meine Hüfte schmerzte noch immer. Außerdem musste ich aufpassen, keine abrupten Kopfbewegungen zu machen. Wenigstens hatten die Rückenschmerzen nachgelassen, was sicher der guten Matratze zu verdanken war.
Mit Appetit verspeiste ich das köstliche Frühstück, bestehend aus dunklem Brot mit frischer Butter und geräuchertem Schinken. Auch Pflaumenmus, Gelee und Honig wurden gereicht. Anna präsentierte sich fröhlich und ausgeglichen wie stets. Nach dem Frühstück teilte sie uns mit, dass heute Markttag sei und ein Besuch doch sicher interessant für uns wäre. Begeistert stimmten wir zu, sie zu begleiten.
Praktischerweise brauchten wir nur vor die Haustür zu treten, denn der Markt fand direkt hier auf dem Römerberg statt. Wir schlenderten zwischen den Ständen, und Anna erklärte uns nebenbei einige wissenswerte Dinge. Es gab die unterschiedlichsten Waren. Man bot Seide und andere kostbare Stoffe feil. Ich sah Händler mit Tabak, Samen, Gewürzen, auch exotische, und mit Grundstoffen für Medikamente. Barbara erkundigte sich danach, und Anna erklärte, das Mischen und Zubereiten von Drogen und Medikamenten sei nur den Apothekern erlaubt, und diese bestimmten auch, wem sie welche zur Verfügung stellten.
„Dienstgesinde, Verdächtigen, Fremden und unbekannten Personen dürfen bestimmte Medikamente nicht ausgehändigt werden“, sagte sie in Barbaras verblüfftes Gesicht, und schien sich erneut über deren Unwissenheit zu wundern.
Freitags und samstags wurde hier der Fischmarkt abgehalten, ansonsten konnte man kaufen, was das Herz begehrte. Eine Gruppe junger Mädchen, mit ähnlich barocken Gesichtern wie die kleine Dienstmagd in Annas Haus, verkaufte Gemüse. Einer der Stände hatte nur Süßigkeiten anzubieten, und schweren Herzens ging ich daran vorbei, wobei mir die dienstbereiten Blicke des Händlers folgten. Leider musste ich ihn enttäuschen und unverrichteter Dinge weitergehen. Etwas Süßes für die Nerven wäre jetzt genau das Richtige, aber ich hatte leider kein Geld.
„Es sind viele Fremde in der Stadt, oder?“, fragte ich Anna beim Anblick eines orientalischen Händlers.
Fast wie im modernen Frankfurt, wo man auf den Straßen Menschen aller Herren Länder sehen konnte. Anna nickte und erklärte, dass zweimal im Jahr eine Messe stattfand und viele sich dadurch Arbeit erhofften. Eine Messe? Frankfurt war berühmt für seine Messen, aber ich hatte nicht gewusst, dass diese Tradition schon so weit zurückreichte. In meinen Gedanken erschienen die riesigen Messehallen mit hohen Glasfenstern, Rolltreppen und Pendelbussen aus dem 20. Jahrhundert, und ich musste daran denken, wie oft ich schon für meinen Chef ausländische Gäste mit kleinen Namensschildchen am Revers herumgeführt und für sie gedolmetscht hatte.
Wo war dieses andere Leben geblieben?
Anna riss mich mit ihren Worten aus meinen Erinnerungen an die Zukunft.
„Die fortwährende Nachfrage nach Bedienten zieht viele in die Stadt, obgleich sie oft nur die Armut des Umlandes gegen die Armut in der Stadt eintauschen.“
Wir gingen langsam weiter, und ich beobachtete eine kleine Gruppe von Soldaten mit Flinten auf dem Rücken und hübsch verzierten Überröcken auf engen cremefarbenen Hosen. Sie standen um einen Stand mit Tabakwaren herum und verhandelten mit dem Händler. Es handelte sich um sehr junge Männer, fast noch Kinder. Anna bemerkte meinen Blick.
„Ihr schaut so verwundert drein, habt Ihr noch nie Soldaten gesehen?“
Verdammt, schon wieder hatte sie in meinem Gesicht gelesen, als wäre es das Frankfurter Anzeigenblatt.
„Doch, natürlich. Aber noch nie so junge“, erwiderte ich wahrheitsgemäß.
„Ja, da habt Ihr recht. Das ist auch keine schöne Sache. Hier werden viele Soldaten angeworben.“ Sie betonte das letzte Wort besonders.
Ich stutzte, und sie trat so nah an mein Ohr heran, dass ich den Duft eines Veilchenparfüms wahrnahm.
„Man führt die zu Werbenden in allen Wirtshäusern herum, macht sie berauscht, setzt ihnen Soldatenmützen auf und erklärt sie für geworben. Widerstreben sie, so schlägt und misshandelt man sie
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