Schimmer der Vergangenheit (German Edition)
Holzscheite knisterten im Feuer. Vier Gesichter sahen mich ungeduldig an.
„Um euch das zu erklären“, sagte ich gefasster, „muss ich weiter ausholen.“
Nachdem ich alles über die Begegnung mit dem Indio am Flughafen, im Dschungel und auf dem Gemälde erzählt hatte, fühlte ich mich bedeutend besser, so als wäre eine schwere Last von mir genommen.
„Warum hast du uns das bisher nicht erzählt?“, wollte Anette wissen und klang enttäuscht.
„Ich dachte, ihr glaubt mir nicht, und ich war mir nicht mal selbst sicher. Der Indio am Flughafen hätte ein harmloser Einheimischer sein können, und der im Dschungel eine Halluzination infolge des Aufpralls. Erst als ich das Gemälde sah, habe ich ein zweites Mal darüber nachgedacht, und bisher gab es keine geeignete Gelegenheit, euch davon zu erzählen.“
Jacks Körper versteifte sich, als ich den Unfall erwähnte. Eine unangenehme Erinnerung auch für ihn.
Denkfalten furchten seine Stirn.
„Den Flughafen kenne ich gut. Dort ist mir noch nie ein Indio begegnet.“
„Und was hat das alles mit deinem Alptraum zu tun?“, fragte Barbara.
Ich holte tief Luft und beschrieb den Traum. Meine Stimme zitterte, denn ich konnte es noch immer spüren, das Grauen der Todesangst dieser Menschen. Es war wie einer dieser Träume mit hohem emotionalen Gehalt, nach dem man seinen unschuldigen Partner morgens mit dem Kissen schlägt, weil er im Traum eine Affäre gehabt hatte.
Staunend lauschten sie meinen Worten. Barbaras Augen weiteten sich an manchen Stellen meines Berichtes. Sie hielt ein Sofakissen vor ihrer Brust, das sie zu einem kleinen Ball zerknautscht hatte.
„... ich habe schon mal eine Dokumentation über das Abschlachten nordamerikanischer Indianer gesehen“, sagte ich. Jack sog Luft ein. „Das war entsetzlich, aber kein Vergleich zu meinem Traum, denn ich war richtig life dabei, Jack!“
Ich vergrub mein Gesicht an seiner Brust und unterdrückte das aufkommende Schluchzen. Er strich mir sanft über den Rücken.
„Jetzt haben wir endlich einen Hinweis auf unsere Situation. Vielleicht können wir etwas über den Indio in Erfahrung bringen. Er sagte, er wolle dir etwas zeigen. Das hat er ja wohl auch getan, aber hast du dir wirklich alles gemerkt, Isabel?“
Er sah mich prüfend an.
„Leider kein Hinweis auf den Grund unseres Zeitsprungs“, sagte ich nach einer Weile in das Schweigen hinein.
„Einen Moment“, sagte Anette, „fassen wir zusammen: Der Indio erschien dir zuerst vor dem Zeitsprung. Dann noch mal im Traum nach dem Zeitsprung. Er sagte, man habe sein Dorf vernichtet. Also wusste er, du würdest einen Zeitsprung machen, und es hat etwas mit dieser Vernichtung zu tun.“
Wir schwiegen, erschüttert über diesen Zusammenhang.
„Du hast völlig recht“, sagte Jack, nahm den Arm von mir und beugte sich nach vorne. „Wenn es auch total verrückt klingt.“ Er rieb seine Handflächen aneinander, als würde er frieren, und blickte sich zu mir um. Ich legte eine Hand auf seinen Rücken und strich gedankenverloren auf und ab.
„Ich befürchte, wir müssen Anna einweihen. Sonst erfahren wir nie etwas über den Indio“, sagte ich.
„Nein, das halte ich für keine gute Idee“, gab Barbara zu bedenken. „Sie könnte sich zu sehr aufregen, und das wäre ein Risiko für die Schwangerschaft.“
Was sollten wir bloß tun?
Barbara glättete das zerknüllte Kissen sorgfältig, legte es hinter ihren Rücken und lehnte sich dagegen. Für einen Moment konnte man unsere grübelnden Gedanken fast hören.
„Wenn ihr alle einverstanden seid“, sagte Karin schließlich, „schlage ich vor, wir warten damit, bis Anna entbunden hat. Dann ist ihr Mann wenigstens bei ihr, und wir können, falls sie uns überhaupt weiterhelfen kann, beruhigt gehen.“
Alle erklärten sich einverstanden, doch ich dachte wehmütig an Robert und meine Mutter zu Hause und dass es noch bis Mai nächsten Jahres dauern würde, bis ich die beiden eventuell wieder sehen würde.
Robert. Kalt überkam mich die Erkenntnis, dass ich während des Traumes nicht nach ihm, sondern nach Jack rief. Es lag wohl nahe, dass Jack mir in dieser Sache näher stand, versuchte ich mir einzureden. Abrupt nahm ich meine Hand von seinem Rücken, als mir auffiel, dass ich ihn schon wieder berührte, ohne es bewusst zu registrieren.
Er betrachtete mich aufmerksam, die Augenbrauen noch immer angespannt zusammengezogen.
4
Nach weiteren vier Wochen warteten wir bereits
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