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Schimmer der Vergangenheit (German Edition)

Schimmer der Vergangenheit (German Edition)

Titel: Schimmer der Vergangenheit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joy Fraser
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ich entspannte mich. Anscheinend hatten sich seine romantischen Gefühle abgekühlt, und er war zur Vernunft gekommen.
    Anna ruhte sich auf ihrem Zimmer aus, und wir versammelten uns, jetzt wo Friedrich fort war, ungestört im gemütlichen Wohnzimmer. Jack feuerte den Kamin an, denn es war kühl geworden. Große Ohrensessel und ein kleines Sofa, orientalische Teppiche von einigem Wert und Ölgemälde schmückten den Raum. Anna bewies einen ausgezeichneten Einrichtungsgeschmack. Wir ließen uns Kaffee bringen und unterhielten uns. Jack saß in einem der Sessel, was ihn wie den neuen Hausherrn wirken ließ, und plauderte mit Karin über die kulturellen Ereignisse zu dieser Zeit in Frankfurt.
    „Wir sollten einmal das Theater besuchen“, steuerte Anette der Unterhaltung bei. „Anna sagte, sie führen zurzeit eine dramatische Oper auf.“
    Sie beschlossen, mit Anna dort hinzugehen, und ich spürte wie mir langsam die Augen zufielen. Ich kuschelte mich tief in meinen gemütlichen Sessel, und langsam verblassten die Stimmen um mich. Gedanken und Bilder zogen auf, verschwanden wieder, und es entstand ein Szenenbild, wie Kulissen in einem Theaterstück. Ich fragte mich nach dem Namen des Stückes, als ich unvermittelt Schreie vernahm. Das Geräusch wurde lauter, realer, und entsetzlich qualvolle Schreie ließen mein Herz schneller schlagen. Jemand hatte Todesangst. Alarmiert blickte ich mich um und sah halb nackte Menschen wild durcheinander laufen, sie waren es, die so furchtbar schrien. Mütter schnappten sich ihre Kinder und rannten um ihr Leben. Plötzlich hörte ich in all dem Chaos meinen Namen, und als ich mich suchend umsah, hatte ich das junge Gesicht des Indios vor mir.
    „Was machst du denn hier?“, fragte ich ihn verblüfft.
    „Ich will dir etwas zeigen“, sagte er freundlich, während die Stimmen und Geräusche der flüchtenden Menschen in den Hintergrund traten, als hätte man den Ton eines Fernsehgerätes leiser gestellt.
    „Aber wer bist du, und was passiert hier?“
    „Du träumst, aber das ist kein normaler Traum. Du solltest dir etwas ansehen.“
    Er nahm meine Hand, und ich spürte, wie meine Füße an Boden verloren. In angenehm schwerelosem Zustand schwebten wir gemeinsam über eine Stadt aus weiß gekalkten Gebäuden, und es kam mir wie eine natürliche Fortbewegungsart vor. Die schöne Stadt lag inmitten einer saftig grünen Hügellandschaft. Ich erkannte den zentralamerikanischen Dschungel. Eine seltsame Stimmung überkam mich, wie ein Wiedererkennen, und doch kam ich mir wie eine Fremde vor.
    „Was soll das alles bedeuten?“
    „Meine Familie und ich lebten hier. Dann sind sie gekommen und haben uns alle getötet.“
    In Sekundenschnelle stand ich wieder auf dem Boden, und er war verschwunden. Verzweifelt suchte ich nach ihm, als ich die brüllende Menschenmenge auf mich zukommen sah. Die Menschen wurden verfolgt von einer großen Meute bewaffneter Männer, die den Flüchtenden die Köpfe einschlugen und Kleinkinder aus den Armen ihrer entsetzten Mütter rissen. Ich schrie auf, konnte nicht ertragen, was hier geschah. Ich rief nach Jack, im irrationalen Glauben, nur er könne mir helfen, nur er sei stark genug. Ich schrie seinen Namen, immer wieder, als die Menschenmenge direkt vor mir war und mich zu zertrampeln drohte. Dann spürte ich, wie ich hin- und hergeschüttelt wurde, und tausend Füße traten auf mich ein. Worte drangen an mein Ohr, die ich nur zögerlich wahrnahm.
    „Isabel! Isabel, ich bin hier, komm doch zu dir, um Himmels willen!“
    Es war Jack, mein Gott, es war Jack. Endlich! Schluchzend schlang ich meine Arme um ihn. Geduldig hielt er mich in seinen Armen, und ich war nicht in der Lage zu sprechen. Meine Freunde saßen besorgt vor mir und warteten darauf, dass ich mich beruhigte. Ich hatte Jacks Schulter nass geweint, und seine Anwesenheit tröstete mich enorm. Ich putzte mir die Nase mit einem Taschentuch, das Anette mir gereicht hatte.
    „Ich bin wieder okay, glaube ich. Das war ein entsetzlicher Alptraum.“
    „Mein Gott, du hast uns zu Tode erschreckt“, sagte Jack besorgt. „Erst hast du geschrien und dann immerzu meinen Namen gerufen.“
    „Es war so real“, begann ich. Meine Stimme versagte ihren Dienst.
    Es war derart real, ich hätte schwören können, es wirklich erlebt zu haben. Jack küsste meine Stirn, und ich lehnte mich an ihn. Er war wie ein schützender Fels für meine aufgewühlte Seele. Der Regen prasselte gegen die Fensterscheiben, und die

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