Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schimmer der Vergangenheit (German Edition)

Schimmer der Vergangenheit (German Edition)

Titel: Schimmer der Vergangenheit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joy Fraser
Vom Netzwerk:
misstrauischer Ausdruck. Unsere Absonderlichkeit hatte sich also bis zu ihm herumgesprochen. Ein unverheirateter Mann ohne Vergangenheit mit einer Art Harem, mitten in Frankfurt. Und jetzt würde er sich auch noch am Göttmann’schen Besitz bereichern. Sicher hatten die Hausangestellten keinen geringen Anteil an dieser Interpretation. Pfarrer Adolfs Blicke verursachten mir Unbehagen.
    „Und was geschieht jetzt mit ihm?“
    Jacks Stimme holte mich in die Wirklichkeit zurück. Friedrich hätte eigentlich aufgebahrt werden sollen. Jack und ich sahen uns entsetzt an, und Pfarrer Adolf reagierte mit unvermutetem Feingefühl.
    „In diesem Fall scheint mir das allerdings nicht angebracht“, sagte er naserümpfend. „Man versuchte ihn herzurichten, aber mit wenig Erfolg, fürchte ich. Möchtet Ihr ihn sehen, mein Herr?“
    Jack nickte, und mich packte das kalte Grausen.
    „Du brauchst nicht mitzugehen, aber ich möchte mich erstens davon überzeugen, dass er es wirklich ist, und zweitens überprüfen, ob man seinen Anblick Anna nicht doch zumuten kann.“
    Zwar hatte Anna bei ihrer Tätigkeit im medizinischen Dienst sicher einiges gesehen und war nicht so leicht aus der Fassung zu bringen, doch durch eine Schwangerschaft wurde eine Frau verletzlicher und war nicht so stark belastbar wie gewöhnlich.
    Die beiden Männer entfernten sich. Ich betrachtete mir inzwischen die Gemälde in Pfarrer Adolfs Wohnstube, in die wir geführt worden waren. Die Kollekte war wohl üppig, Herr Pfarrer, dachte ich beim Anblick der wunderschönen Ölgemälde, die mich in ihrer Ausführung stark an Monet erinnerten.
    Als Jack nach einer Weile zurückkam, sprach sein Gesicht Bände. Es handelte sich tatsächlich um Friedrich.
    „Sieht er schlimm aus?“, fragte ich beklommen.
    „Schlimm ist nicht das richtige Wort. Anna darf ihn nicht sehen, sonst wird sie ewig Albträume haben.“
    Wir unterschrieben Papiere in Annas Namen, besprachen Uhrzeiten und wurden darauf aufmerksam gemacht, dass die halbe Stadt zu den Feierlichkeiten kommen würde, da Friedrich ein allgemein bekannter und geschätzter Mann gewesen war. Wir bedankten uns für die Informationen und gingen. Ich drehte mich noch einmal um und sah, wie Pfarrer Adolf hastig die Tür zuschlug. Er hatte uns nachgesehen.
    Schweigend gingen wir nach Hause. Wie sollte Anna eine große Feier überstehen? Mein Magen kündigte Schwierigkeiten an, und Jack empfahl einen Schnaps. Im Haus war es verdächtig ruhig, abgesehen von meinem Magenknurren. Jack schüttelte den Kopf.
    „Da haben wir es, du hast nur Hunger. Kein Wunder, wir haben ja noch nicht gefrühstückt. Komm, das holen wir jetzt nach.“
    Im Speisezimmer stand tatsächlich Frühstück bereit. Bisher hatte es noch niemand angerührt, und mir war ebenfalls nicht nach Essen zumute. Ich befragte die weinende Lisa.
    „Wo sind die anderen?“
    „Ich weiß nicht. Ich glaube, sie sind bei Frau Göttmann.“
    In Lisas Augen lag noch mehr Abscheu als gewöhnlich. Jack war mit einem Satz an mir vorbei und in zwei großen Schritten die Treppe zu den Schlafzimmern hochgeeilt. Als ich ihm folgte, sah ich die anderen eben aus Annas Zimmer kommen. Barbara sprach im Flüsterton.
    „Leise. Sie schläft endlich. Oh, Mann, ihr habt was verpasst. Sie schrie und warf mit Sachen um sich. Sie will ihn unbedingt sehen. Sie glaubt es sonst nicht.“
    Verständlich. An ihrer Stelle würde ich Jack auch noch einmal sehen wollen, egal, wie er aussehen mochte.
    „Das ist unmöglich“, meinte Jack.
    „Dann wird sie es nie verkraften“, sagte Barbara eindringlich.
    „Ich habe ihn gesehen, Barbara, und ich sage dir, es ist unmöglich“, entgegnete er noch eindringlicher.
    Sein Gesicht war angespannt und entschlossen, und ich wusste, er würde es nicht zulassen. Barbara ging an ihm vorbei.
    „Es ist ihr gutes Recht, und ich weiß nicht, wie wir sie daran hindern sollten. Ich gehe jetzt etwas essen.“
     
    Wir störten Anna möglichst wenig. Ab und zu gingen Barbara oder ich zu ihr, um zu sehen, ob sie aß. Zwar hatte sie sich beruhigt, doch ihr Verhalten war in Apathie umgeschlagen, was uns nicht weniger Sorgen bereitete. Auf die Frage nach einem Testament reagierte sie bestürzt, und wir dachten, es sei vielleicht noch zu früh für solche Dinge. Doch es stellte sich heraus, dass es ihr nicht darum ging. Friedrich hatte zwar ein Testament geschrieben, aber noch nicht die Zeit gefunden, es bei einem Geheimrat, wie die damaligen Notare genannt wurden, zu

Weitere Kostenlose Bücher