Schimmer der Vergangenheit (German Edition)
Mann die Uhr sei das Produkt eines französischen Erfinders. Der Uhrmacher durfte das Innenleben eine Woche lang studieren, aber dann forderte Jack sie energisch zurück. Er hielt Anna die Uhr vor die Nase, und sie betrachtete sie mit ungläubigem Staunen.
„Sie ist aus dem Jahr 1975, glaube ich“, erinnerte sich Jack.
Annas Augen weiteten sich.
„Das ist kaum zu glauben, aber so etwas habe ich noch nie gesehen. Wie das blinkt und ...“
Karin, Barbara und Anette kicherten und rückten näher, als hätten auch sie die Uhr zum ersten Mal gesehen. Die Spannung im Raum hatte sich gelöst, und die Tatsache, dass wir etwas vorzuzeigen hatten, gab uns Hoffnung. Vielleicht konnten wir damit Anna auf unsere Seite bekommen.
Jack stellte an der Seite der Uhr die Weckfunktion ein, und Anna hätte die Uhr vor Schreck fast fallen lassen, als sie zu piepsen anfing. Jack überließ sie ihr grinsend und hielt mir seine offene Hand entgegen. Die Situation machte ihm sichtlich Spaß. Ich kramte in dem Kästchen und holte meine Sonnenbrille hervor, setzte sie auf, und Jack hielt einen Monolog über den Stand der Augenoptik im 20. Jahrhundert. Anna folgte ihm mit großen Augen. Ich griff erneut in den Kasten und holte mein rotes Einwegfeuerzeug hervor. Jack hielt es vor Annas erstaunte Augen, bereit, es zu entzünden.
„Achtung, nicht erschrecken.“
Sie lachte, und er drückte auf den kleinen schwarzen Knopf, es machte ein klickendes Geräusch, und die Flamme schoss hervor. Anna rutschte tief in ihren Sessel hinein. Sie war fasziniert, und Jack erklärte ihr die Funktionsweise. Er ermunterte sie, es selbst zu versuchen, doch sie traute sich nicht, es zu berühren. Als Nächstes zeigten wir ihr den gesamten Inhalt meines Rucksacks: Papiertaschentücher, mein Schminkzeug, Reisekaugummis in faszinierend knisternder Aluverpackung und mit merkwürdiger Schrift bedruckt und meinen farbigen Reiseführer „Yukatan“.
Anna war begeistert. Das Buch mit den bunten Bildern hatte es ihr besonders angetan.
„Und das ist der Ort, von dem ihr kamt? So schön ist es dort? Ich denke, da leben nur Wilde? Wie haben sie bloß die Farbe in das Buch bekommen? Das sieht aus wie echt! Wer hat das gemalt?“
„Das nennt man Fotografie“, sagte ich. „Ich erkläre es dir später“, fügte ich hinzu, als ich ihren verständnislosen Blick sah.
„Lisa vermutet, ihr seid Hexen und Jack euer Meister. Ich wusste gleich, dass es etwas anderes sein musste.“
Sie blätterte aufgeregt in dem Taschenbuch. Wir grinsten uns an, und Jack fühlte sich geschmeichelt. Wir sprachen den ganzen Tag miteinander und erzählten ihr unglaubliche Dinge. Sie wurde gelöster und fröhlicher und erinnerte mich an die Frau, die sie einmal war, bevor Friedrich starb. Sie hatte eine Million Fragen, und wir beantworteten alle geduldig. In meinem Reiseführer befanden sich auch Bilder von Hotels, Städten und Autos. Die bunten Bilder retteten uns, sonst hätte sie uns womöglich niemals geglaubt. Sie wollte wissen, wie ihre Stadt in der Zukunft aussehen würde. Karin malte ihr geschickt die Frankfurter Skyline auf. Anna war sprachlos. Dann malte Karin im entsprechenden Größenverhältnis die alten Gebäude des Römerberges dazu. Anna konnte es nicht fassen, jetzt erst begriff sie die Größe der Hochhäuser.
„Halten sie denn schweren Stürmen stand?“, wollte sie wissen.
Wir konnten sie beruhigen, bisher stünden alle noch. Wir lachten viel bei unseren Erklärungen, wurde uns doch die Absurdität dieser ganzen Situation immer bewusster. Wir versuchten ihr den wunderschönen Anblick des historischen Weihnachtsmarktes auf dem Römerberg zu schildern.
„Steht mein Haus noch?“, fragte Anna plötzlich mit bangem Gesichtsausdruck.
Barbara konnte sich am besten daran erinnern.
„Ja. Im oberen Teil wohnen Leute, aber wir kennen ihre Namen nicht. Unten ist ein großer Laden drin, mit riesigen Fensterscheiben.“
Anna machte ein verträumtes Gesicht. Doch es sich vorzustellen, fiel ihr schwer.
„Sieht es noch genauso aus?“
„Von der Bauart schon. Es hat einen anderen Anstrich und Dachrinnen, außerdem ist es nachts beleuchtet, und es wurde mit Sicherheit eine Innentoilette installiert.“
Sie lachte, und wir mussten Anna die Funktion einer Dachrinne und die Tatsache einer Innentoilette erklären. Ungläubig nahm sie zur Kenntnis, dass Nachttöpfe nur noch von kleinen Kindern benutzt wurden, und verzog angeekelt das Gesicht bei der Vorstellung, menschliche
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