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Schimmer der Vergangenheit (German Edition)

Schimmer der Vergangenheit (German Edition)

Titel: Schimmer der Vergangenheit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joy Fraser
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Bedürfnisse im Innern des Hauses zu verrichten, ohne sie hinterher hinauszutragen. Die Erklärung der Elektrizität überließen wir Jack, der schon eine heisere Stimme hatte.
    „Ich kann so viel auf einmal nicht begreifen. Es ist erschreckend, wie schnell sich die Welt verändern wird. Ich würde mich bei euch zu Tode fürchten“, sagte Anna. „Aber ihr wollt doch sicher wieder nach Hause zurückkehren, oder?“ Sie blickte uns alle der Reihe nach in unsere betretenen Gesichter. Dann wandte sie sich an Jack, der für das Überbringen von schlechten Nachrichten zuständig war. „Oder nicht?“
    In ihrer Stimme schwang Hoffnung, die wir ihr nicht zu geben vermochten, und mir zog es das Herz zusammen. Jack hielt ihrem Blick stand, und ich sah an seinen zusammengezogenen Augenbrauen, wie angestrengt er überlegte. Er straffte die Schultern und räusperte sich.
    „Ich werde dich nicht belügen. Ja, wir möchten gerne wieder nach Hause. Das verstehst du sicherlich.“
    Sie nickte schwach, doch die Enttäuschung in ihrem Gesicht brannte sich für immer in mein Gedächtnis ein. Ihre Züge schienen immer länger zu werden, und ich bildete mir ein, sie würde gleich zu weinen anfangen. Mit einem Mal wirkte sie so zart und zerbrechlich wie ein Kind.
    „Aber wir werden erst gehen, wenn wir uns sicher sind, dass für dich gesorgt ist. Das sind wir dir, Friedrich und dem Kind schuldig.“
    Er hatte das sehr einfühlsam gesagt, und ich liebte ihn in diesem Augenblick noch mehr. Annas Augen füllten sich mit Tränen und Jack sprach schnell weiter.
    „Warte, kein Grund zur Verzweiflung, da ist nämlich noch eine unbedeutende Kleinigkeit.“
    Anna schniefte leise. Er legte beruhigend eine Hand auf ihre Schulter und sah ihr in die Augen.
    „Wir haben keine Ahnung, wie wir nach Hause kommen sollen.“
    Er lachte auf, doch es klang resigniert, und wir stimmten nach und nach alle ein. Vor innerer Verzweiflung und völligem Unverständnis darüber, was eigentlich mit uns geschehen war, lachten wir, bis uns Tränen über die Gesichter liefen.
    Dann erzählten wir Anna von dem Brief, den wir in Friedrichs Unterlagen gefunden hatten, und ich hoffte, sie wusste, wo das Artefakt versteckt sein könnte. Doch sie war völlig ahnungslos. Friedrich hatte sie nicht eingeweiht.
     
    Die nächsten Tage und Wochen waren erfüllt von Annas Wissensdurst. Endlich konnte ich ihr aus meinem Leben erzählen. Sie war völlig hingerissen von dem selbstständigen Leben, das ich geführt hatte und das alle Frauen führen konnten. Ich teilte mit ihr meine Empfindungen für beide Männer in meinen beiden Leben. Sie verstand mein Dilemma sehr gut und glaubte, sich an meiner Stelle ähnlich zu verhalten. Außerdem musste es wohl Schicksal sein, wenn so etwas Merkwürdiges passiert, meinte sie. Gottes Wille sei unergründlich. Ich war froh, dass sie mich jetzt, wo sie meine Situation kannte, erst recht nicht mehr für unmoralisch hielt. Dieser, obwohl nie von ihr ausgesprochene Vorwurf hatte immer die Luft geschwängert und mich belastet.
    Annas Interesse an der zukünftigen Entwicklung ihrer Heimatstadt war verständlicherweise unerschöpflich. Wir erzählten von der U-Bahn, dem Museumsufer, dem Rechtsanwalt Johann Wolfgang von Goethe, der inzwischen, in diesem Jahrhundert, nach Weimar gegangen war. Wir beeindruckten sie mit der Tatsache, dass dieser Mann ihrer Zeit noch in 190 Jahren von sich Reden machen würde und als Rechtsanwalt und Dichter Frankfurts ganzer Stolz sein würde. In vielen Städten der Welt würden Schulen, Museen und Straßen nach ihm benannt werden, und sein Geburtshaus würde, ebenso wie die Paulskirche, nach dem Zweiten Weltkrieg wieder aufgebaut und zum Ziel von Reisenden aus aller Welt werden. Anna hatte von Goethe gehört und hätte es spaßig gefunden, dem Mann davon zu erzählen. Wir stimmten zu und lachten mit ihr über das verblüffte Gesicht, das er sicher machen würde, doch sie sah ein, dass er uns kaum glauben würde und wir nur in unnötige Schwierigkeiten geraten würden.
    Allerdings beschrieben wir Anna nicht nur die angenehmen Seiten unseres Jahrhunderts. Auch von der wachsenden Kriminalität und der Gewaltverherrlichung mussten wir ihr aufrichtigerweise berichten.
    „Falschparker werden bestraft und Drogenhändler ignoriert“, sagte Jack resigniert.
    Anna konnte sich solche Zustände nur schwer ausmalen, wie überhaupt alles, was wir ihr erzählten. Ich berichtete auch von den furchtbaren Kriegen in unserem

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