Schimmer der Vergangenheit (German Edition)
er über eine Familiengründung nachdachte, doch es schien ihm wichtig. Ich streichelte die kleine, noch immer leicht rote Narbe über seinem rechten Auge.
„Du bist ein Schatz! Aber lass uns erst zusehen, dass wir nach Hause kommen, ja?“
Er lächelte, meine Lippen umschlossen die seinen, und wir rutschten tiefer in die Kissen. Er schmeckte nach süßem Wein, und die Haut seiner Schultern fühlte sich kühl an.
„Warte mal“, sagte er. „Du hast meine Frage nicht beantwortet.“
Ich stutzte.
„Welche Frage?“
Er stöhnte ungeduldig und sah mich abwartend an.
„Ach ja, nach der Verhütung, meinst du? Also gut, ich trage eine Spirale.“
Nun war es an ihm, verblüfft zu sein. Dann schien ihm eine Erleuchtung gekommen zu sein, und er lachte.
„Wie praktisch, dann kann ja gar nichts passieren.“
Plötzlich schlug er sich mit der flachen Hand an die Stirn.
„Ich Idiot! Ich denke die ganze Zeit, wieso wird die Frau nicht schwanger? Wir tun es praktisch pausenlos, und sie hat trotzdem ihre Periode. Ich dachte schon, es liegt an mir. Ein schrecklicher Gedanke!“
Er schüttelte sich, als sei Unfruchtbarkeit klebrig, aber man könne sie abschütteln. Dann fiel ihm etwas anderes ein.
„Muss dich dann nicht ab und zu ein Arzt untersuchen?“
„Doch. Aber das kann Barbara machen. Ich denke, vorerst kann die Spirale bleiben, wo sie ist.“
Ich zog ihn an mich und knabberte an seinem Ohrläppchen. Er lachte leise vor sich hin.
„Stell dir vor, der alte Doktor Hartmann würde dich untersuchen. Der würde vielleicht staunen, wenn er das Ding fände!“
Ich stellte mir das vor und fand es gar nicht zum Lachen.
„Das könnte gefährlich werden, womöglich würden sie mich für eine Hexe halten, die etwas vom Teufel in sich trägt.“
Das Lachen gefror ihm im Gesicht. „Mein Gott, das stimmt“, sagte er leise. „Dann müssen wir dafür sorgen, dass es nie zu einer solchen Untersuchung kommen wird.“
Am nächsten Tag war es noch immer sehr windig, der Himmel war eine einzige milchige Masse, und das dichte Schneetreiben zwang den Tag in einen dumpfen Dämmerzustand. Am liebsten wäre ich mit Jack im Bett geblieben, doch solch ungebührliches Verhalten hätte uns dank tratschender Angestellter endgültig in der ganzen Stadt zum Tagesgespräch gemacht. Anna hatte, nachdem sie bemerkte, dass wir uns ein Zimmer teilten, taktvoll geschwiegen und mich ab und zu verstohlen angelächelt. Ich bewunderte ihre moderne Einstellung, anscheinend machte sie sich keine Sorgen über den Klatsch. Die Hausherrin duldete unser gemeinsames Schlafzimmer, was für uns das Wichtigste war. Ich nahm mir trotzdem vor, offen mit ihr darüber zu reden, doch es sollte ganz anders kommen.
Wir saßen mit den anderen im Wohnzimmer und sprachen über alltägliche Dinge, als Anna ins Zimmer gestürmt kam und schwungvoll einen Holzkasten vor uns auf den Tisch knallte. Die nächsten Sekunden liefen wie in Zeitlupe ab. Jack schaute auf den Kasten, dann auf die kleine, mittlerweile recht angeschwollene, wutschnaubende Frau.
„Mein Gott, Anna!“
Ich verstand nicht gleich, worüber er so aufgeregt war. Dann begriff ich, und meine Nackenhärchen stellten sich auf. Anna hatte den Kasten gefunden, in dem wir all unsere Kleinigkeiten, die wir aus der Zukunft mitgebracht hatten, verwahrten.
Sie setzte sich schwer atmend auf einen Sessel, rieb sich mit der Hand die Stirn und sprach langsam und gedämpft.
„So, nun möchte ich von euch wissen, wer ihr seid und woher ihr kommt. Und zwar die Wahrheit dieses Mal!“
Wir blickten uns ratlos an, und in mir kamen Angst und zugleich Erleichterung hoch. Endlich mussten wir nicht mehr lügen. Karins Gesicht erholte sich nur langsam von dem Schock, und Barbara hielt sich noch immer eine Hand vor den Mund. Anette sah erst zu mir und dann zu Jack, und machte eine auffordernde Handbewegung.
Als Frau ihrer Zeit erwartete Anna von Jack, dem Mann im Hause, die Erklärungen. Er nahm den Ball auf.
„Wer wir sind, weißt du.“
Er stellte den Kasten auf meinen Schoß. Dann setzte er sich neben mich auf das Sofa und sah Anna abwartend an. Sie blickte auf.
„Ich kenne eure Namen. Mehr nicht. Ich weiß, dass ihr ein Geheimnis hütet. Friedrich und ich haben euch vertraut. Nun ist euer Vertrauen in mich gefragt. Ich will es jetzt wissen. Mein Leben liegt in Trümmern, und ich habe ein Recht darauf, alles zu erfahren, meint ihr nicht?“
Ihre Lippen bebten, und Schweißperlen glänzten auf ihrer
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