Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schimmer (German Edition)

Schimmer (German Edition)

Titel: Schimmer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingrid Law
Vom Netzwerk:
öffnete, sah ich zwei schicke Kulis mit silberglänzenden Griffen und abgerundeten Kappen. Ich legte die Schachtel auf das Geländer der Veranda und nahm einen Kuli heraus.  
    »Wenn das Papier nicht weggeweht wäre, könnte ich ihn ausprobieren«, sagte ich. Will junior machte eine galante Armbewegung, dann kniete er auf den brüchigen, abgeblätterten Brettern vor mir nieder, als wollte er mir einen Heiratsantrag machen. Er hielt mir eine Hand hin, mit der Handfläche nach oben, und bot sie mir als Schreibfläche an.  
    Zittrig nahm ich seine Hand. Weich und mühelos schrieb der Stift mit blauer Farbe auf Will juniors Haut, und im Nu hatte ich eine lachende Sonne gemalt. Keine Sekunde später fuhr ich zurück, stolperte über eine hochstehende Planke und fiel auf den Hintern, denn die Sonne blinzelte und räusperte sich, als wäre sie gerade aufgewacht.  
    Als wäre sie gerade aufgewacht und hätte jetzt etwas zu sagen.  

12. Kapitel
     
    Ehe die blaue Kulisonne ein Wort sagen konnte, hatte ich mich schon wieder aufgerappelt und rannte weg von Will junior und dem baufälligen Haus. Ich rannte an Lester Swan vorbei, der immer noch auf der Kirchentreppe saß, vorbei an Bobbi mit ihrem Kaugummi. Die Stufen rauf, rein in den Bus, schnell an Fish vorbei, der mürrisch vorn auf dem Sitz kauerte. Ich hielt erst an, als ich mich unter das Feldbett hinten im Bus gequetscht hatte, neben Samson, der wortlos zur Seite rutschte, als hätte er mich erwartet. Ich steckte mir die Finger in die Ohren. Ich kniff die Augen zu und machte summ, summ, summ, summ.  
    Es nützte nichts. Ich konnte sie immer noch alle hören. Als Lester und Bobbi wieder in den Bus stiegen und sich fragten, was ich hatte, hörte ich sie alle in meinem Kopf, Carlene, Rhonda und den kleinen Engel mit dem spitzen Teufelsschwanz. Aber jetzt hörte ich dazu noch eine neue Stimme, die Stimme der lachenden blauen Sonne, die immer lauter wurde wie eine tieftönende Glocke, als Will junior in den Bus kam.  
    »Ein Geheimnis für ein Geheimnis für ein Geheimnis … Will hat ein Geheimnis. Willst du es wissen?«   
    Weil ich mir nicht anders zu helfen wusste, rief ich: »Will junior, du musst dir die Hand waschen!«, obwohl es dämlich klang, das merkte ich selber, als meine Stimme über den Lärm in meinem Kopf hinweg durch den ruhigen Bus hallte. Ich wollte Wills Geheimnis nicht wissen. Ich wollte nichts wissen, was nicht für mich bestimmt war.  
    »Mibs? Alles in Ordnung?«, rief Will, als er durch den Gang kam, und je näher er kam, desto lauter wurde die Stimme der lärmigen blauen Sonne.  
    »Will hat ein Geheimnis …«    
    »Bleib mir vom Leib!«, schrie ich.  
    Fish, der sah, wie aufgebracht ich war, versuchte gar nicht erst herauszufinden, worum es ging, er rannte Will junior hinterher, wirbelte ihn herum und schlug ihn fest mit der Faust aufs Auge. Will stolperte rückwärts in den Gang. Jetzt mischte Bobbi sich in die Rauferei, sie kletterte über die Sitze, stürzte sich auf Fish und kratzte ihm mit den Fingernägeln über die Wange.  
    Fish achtete überhaupt nicht auf Bobbi, er drängelte sich hinter Will junior her und fragte: »Was hast du meiner Schwester getan? Was hast du ihr getan?«  
    »Will hat ein Geheimnis … Willst du das Geheimnis wissen?«   
    »WASCH DIR DIE HAND, WILL JUNIOR!«, schrie ich wieder, jetzt noch lauter, damit er mich über das Gerangel und das Klirren von zersplitterndem Glas hinweg hörte. Als der Druck bei Fish zunahm, zersprangen die Scheiben in seiner Nähe, rasend schnell breiteten sich die Risse aus, wie Spinnweben, die durch die Scheiben sausten, während Fishs Brisen und Böen schneller und stärker wurden. Bobbi kreischte und Lester schrie auf, als erst eine, dann eine zweite Scheibe in Stücke sprang. Sich duckend und zuckend bei jedem neuen Knall, packte Lester die beiden Jungs am Kragen und zog und zerrte sie aus seinem Bus, Bobbi lief hinterher.  
    »… ein Geheimnis für ein Geheimnis für ein Geheimnis …« Sie war jetzt leiser, aber noch immer jaulte die gekritzelte Sonne in meinem Kopf.  
    »Will, bitte, wasch dir den Kuli von der Hand!«, rief ich, obwohl ich wusste, dass er mich nicht hören konnte. Fishs Wind fegte draußen über den Parkplatz und durch die Bäume an der Kirche. Eine dunkle Sturmwolke hatte sich über uns gebildet, Regen prasselte nieder. Nur gut, dass es kein größeres Gewässer in der Nähe gab, sonst hätte der Sturm über Bee Fishs

Weitere Kostenlose Bücher