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Schimmer (German Edition)

Schimmer (German Edition)

Titel: Schimmer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingrid Law
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beeinflussen war wie ein neuer Schimmer.  
    Ich öffnete den Verbandskasten, während Lester vergeblich versuchte die kaputten Fenster abzudecken; drei Scheiben waren ganz rausgeflogen und eine vierte sah so aus, als würde sie beim ersten Schlagloch herausbrechen. Lester war den Tränen nah, als er schließlich den Versuch aufgab, Pappe in die Rahmen zu klemmen, und den Bus startete. Der lärmige Motor konnte die Stimmen, die immer noch in meinem Kopf tönten, kaum dämpfen.  
    »Dieser Lester …«, sagte Rhonda.  
    »Dieser Schwachkopf …«, sagte Carlene.  
    »Sie weiß nicht recht, ob sie dich mögen soll oder ob sie finden soll, dass du spinnst«, sagte Bobbis Engel in gelangweiltem Ton.  
    »Ich spinne nicht, Bobbi«, sagte ich, während ich eigensinnig Verbandsmull und ausgetrocknete, unbrauchbare Desinfektionstücher aus dem Verbandskasten nahm.  
    »Was?« Bobbi verdrehte den Hals und schaute mich an. »Was sagst du da?«  
    Ich schluckte schwer und sagte nichts, ich hatte etwas laut ausgesprochen, was ganz, ganz fest in meinem Mund hätte verschlossen bleiben müssen. Ich nahm ein verstaubtes Kühlpad aus dem Verbandskasten, so eins, das man knicken muss, damit es kalt wird, und konzentrierte mich darauf. Ich spürte Bobbis Blick auf mir, mit dem sie mich sezieren wollte wie einen Frosch, der ausgenommen vor ihr lag. Ich knickte das Kühlpad, es machte knack und langsam floss etwas Kaltes durch den kleinen Plastikbeutel. Ich wandte mich um und ging zu Will junior, der mit seinem blauen Auge drei Reihen weiter hinten saß.  
    Die abendliche Frühlingsluft strömte zu den kaputten Fenstern herein, als Lester allzu gewagt in die Kurve ging, und der Bus ruckte und röhrte, während wir wieder auf den Highway auffuhren; die Kisten, Zeitschriften und Bibeln gerieten ins Rutschen. Stolpernd plumpste ich auf den Sitz neben Will und drückte ihm das Kühlpad etwas heftiger als beabsichtigt aufs Auge, fast hätte ich ihm einen Nasenstüber verpasst.  
    »Entschuldigung«, sagte ich und versuchte schnell wieder in den Gang des holpernden, polternden Busses zu gelangen. Aber Will junior hielt meine Hand fest und zog mich wieder auf den Platz neben sich. Er drückte sich das Kühlpad fest aufs Auge und verzog das Gesicht. Ohne meine Hand loszulassen, schaute er mich mit seinem gesunden Auge geradeheraus an.  
    »Ich bin nicht sauer, Mibs«, sagte er. Ich wusste nicht, was er meinte, ob er nicht sauer war, weil ich ihm ein Kühlpad auf die Nase geknallt hatte, oder ob er wegen der anderen Sache nicht sauer war, wegen der Sache in Bee. Ich hoffte Letzteres.  
    »Ich spinne nicht«, sagte ich.  
    »Hab ich auch nicht behauptet.«  
    »Nein, aber vielleicht gedacht.«  
    Will schwieg, ließ das Kühlpad auf den Schoß sinken, schaute verstohlen zu seiner Schwester, dann sah er mich mit beiden Augen prüfend an, als wollte er mich durchdringen bis zur DNA.
    »Hat Bobbi das gedacht?«  
    »Ich muss die Kratzer behandeln, die Bobbi Fish verpasst hat«, sagte ich, ohne Wills Frage zu beantworten, und wollte aufstehen. Aber er hielt meine Hand fest.  
    »Hat Bobbi das gedacht? Hat sie gedacht, du spinnst?«  
    »Kann schon sein.«  
    »Woher weißt du das, Mibs?«  
    Ich zuckte die Achseln.  
    »Woher weißt du das? Mibs, erzähl mir, was passiert ist, als du mir das Bild auf die Hand gemalt hast. Wieso bist du da ausgerastet? Und wie macht Fish so einen Sturm? Ich weiß, dass er das war – es kann gar nicht anders sein.« Will beugte sich näher zu mir. »Ich will nur wissen …«  
    Jetzt stand ihm die Neugier wieder ins Gesicht geschrieben. Er hätte für sein Leben gern mein Geheimnis erfahren.  
    »Erzähl’s mir einfach, Mibs. Erzähl mir, was an euch Beaumonts so besonders ist.«  

14. Kapitel
     
    Was war an meiner Familie denn nun so besonders? Ich wusste nur, dass das Anderssein durch unsere Adern fließt. Opa hatte es mir vor Jahren erklärt, kurz nach Oma Dollops Tod, lange bevor wir nach Kansaska-Nebransas gezogen waren. Er nahm mich mit zu einem Strandspaziergang, hielt meine Hand mit seiner knotigen Hand und erzählte mir, wie die außergewöhnlichen Gaben unserer Familie weitervererbt werden.  
    Opa erzählte Geschichten von unseren Vorfahren und von nahen und entfernten Verwandten. Der Name Beaumont kam von Poppa, und die Familien in Opas Geschichten hießen Yeager und Mendelssohn und Payne, Danzinger, O’Connell und Beacham. Er sprach von Cousins und

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