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Schimmer (German Edition)

Schimmer (German Edition)

Titel: Schimmer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingrid Law
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Rekordsturm Konkurrenz machen können.  
    Die Scherben auf dem Parkplatz knirschten unter Fishs Füßen, als er plötzlich aufhörte, gegen Lester Swan zu kämpfen, und mein Gesicht am Fenster sah. Er sah, wie ich schrie und mir die Ohren zuhielt, er sah die Tränen wie aus einem tropfenden Wasserhahn über meine Wangen laufen, endlich drangen meine Worte zu ihm durch und er hörte zu. Blitzschnell wandte er sich von mir zu Will junior, als hätte er plötzlich zwei und zwei zusammengezählt und siebenundzwanzig erhalten, während bei den meisten Leuten bloß vier herauskommt. Der Sturm ebbte ab, Fish packte Will am Handgelenk und sah die blaue Sonne in seiner Hand. Noch ein letztes Mal schaute mein Bruder von der simplen Zeichnung zu mir, wie ich jämmerlich hinter dem zerbrochenen Fenster saß. Da begriff er, dass mein Anfall mit den überraschenden Ereignissen zu tun haben musste, die eintreten, wenn ein Beaumont dreizehn wird, und er tat, was zu tun war.  
    Ohne Wills Handgelenk loszulassen, bewegte er den Mund eine lange Sekunde, dann spuckte er seine fette saftige Spucke direkt in Will juniors Hand.  
    »Bah, igitt!«, rief Will angewidert. »Das ist ja ekelhaft!« Er versuchte die Hand wegzuziehen, aber Fish hielt ihn fest und verrieb die Spucke, vermischte sie mit der Kulitinte, bis nur noch ein großer Schmierfleck übrig war, der dem großen Veilchen ziemlich ähnlich sah, das sich bereits um Will juniors Auge herum bildete.  
    »Lass mich endlich los!«, rief Will und schlug mit der freien Faust nach Fish.  
    Mit Fishs Spucke begann die neue Stimme in meinem Kopf zu gurgeln und zu gluckern, zu brodeln und zu blubbern. Geheimnis wurde zu Geibnis , dann zu Geins , und Geins glitt davon wie Wasser in einen Gully, und so war Will juniors Geheimnis gerettet und in meinem Kopf blieben nur drei Stimmen übrig.  
    Lester Swan gab sein Bestes, die beiden Jungs auseinanderzuhalten und Bobbi hinter sich abzuwehren, wobei er auf den Scherben rutschte und glitschte. Sobald Fish sah, dass mein Gesicht sich entspannte und meine Schultern in ihre normale Haltung sanken – sobald er meinen erleichterten Blick sah –, zog er sich zurück, wand sich aus Lesters Griff und wich Wills Fäusten aus. Fish wusste vielleicht nicht genau, weshalb er die Kulizeichnung von Will juniors Hand entfernen musste, aber er hatte kapiert, dass es wichtig für mich war, und dafür war ich dankbar. Manchmal hatte es was für sich, große Brüder zu haben.  
    Mit einer Mischung aus Ekel und Befremden wischte Will junior seine nasse, befleckte Hand an der Hose ab. Das Hemd hing ihm aus der Hose und die Haare über seinem verfärbten Auge waren wirr und zottig.  
    Ich merkte, dass ich immer noch den schicken Silberstift in der Hand hielt, den Will mir geschenkt hatte. Er war bleischwer in meiner Hand. Ich verschloss ihn mit der Kappe und steckte ihn in eine meiner tiefen Rocktaschen; die Schachtel und den anderen Stift hatte ich bei dem verfallenen Haus gelassen. Ich war geschafft und müde, und ich fand es nicht besonders toll, ein Teenager zu sein. Als sich der letzte Sonnenstrahl dem tiefen Abendblau ergab, ließ ich mich im Bus auf den Boden sinken und versuchte wieder, nicht zu denken und nichts zu hören.   
    »Wo ist Lester denn nun schon wieder reingeraten?«, murmelte Carlene hinter meinen Augen.  
    Und Rhonda schnalzte mit der Zunge und sagte: »Er sitzt mal wieder in der Klemme, wie üblich.«   

13. Kapitel
     
    Als Lester Swan die anderen wieder in den Bus lud, sie schön weit auseinandersetzte und betrübt die beschädigten Scheiben ansah, versuchte ich mit Gott einen Handel zu machen. Ich schwor, in Zukunft klaglos meine grünen Bohnen zu essen, ein guter Mensch zu werden und mir nach der Sonntagsschule nie, nie wieder mehr als einen halben zuckergepuderten Donut zu nehmen. Wenn ich bloß nicht mehr diese Stimmen hören müsste, sobald einer in meiner Nähe etwas auf die Haut gemalt hatte – schon gar keine Stimmen, die mir Geheimnisse anvertrauen und Gefühle ausplaudern wollten, die verborgen bleiben sollten.  
    Seit Poppas Unfall hatte ich kein einziges Mal geweint, aber jetzt, wo ich einmal angefangen hatte, dort in dem großen rosa Bus, konnte ich nicht mehr aufhören. Alles schien zerstört und hoffnungslos zu sein. Wenn nun alles umsonst gewesen war? Wenn es Poppa schon besserging und er in seinem Bett saß und mit Momma und Rocket sprach und lachte? Aber wenn es Poppa nun schlechterging, wenn

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