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Schindlers Liste

Schindlers Liste

Titel: Schindlers Liste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Keneally
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sie war, versetzte er ihr einen betäubenden Schlag. Sie fiel hin, für die Aufseher das Zeichen, sie zum elektrisch geladenen Lagerzaun zu schleifen und sie gegen die Drähte zu werfen. Frau Horowitz, die wieder zu sich kam, flehte sie auf halbem Wege an, sie gehen zu lassen, und sie durfte zurück. Ihre Tochter hatte sich die ganze Zeit über nicht gerührt.
    Inspektionen dieser Art fanden zu allen Tageszeiten statt. Eines Abends mußten die Schindlerfrauen raustreten, während ihre Baracke gefilzt wurde. Frau Dresner, ehedem im Getto von einem unterdessen verschwundenen jungen Mann vom ÖD gerettet, stand mit ihrer Tochter Danka vor der Baracke im eiskalten Morast, der, wie der berühmte Schlamm auf den Schlachtfeldern von Flandern, auch dann nicht gefror, wenn ringsum alles zu Eis erstarrte.
    Beide hatten aus Plaszow nichts als ihre Sommerbekleidung mitgebracht. Danka trug unter einer dünnen Jacke nur eine Bluse und einen Rock. Da es am Nachmittag schon zu schneien begonnen hatte, riet Frau Dresner ihrer Tochter, einen Streifen von ihrer Decke abzureißen und den unter dem Rock um den Leib zu tragen. Während der Filzung der Baracke entdeckte die SS die beschädigte Decke. Der Barackenältesten wurde befohlen vorzutreten; es war eine Holländerin, den Schindlerfrauen noch ganz unbekannt, und man eröffnete ihr, sie und alle Gefangenen, bei denen man Streifen von Decken fände, würden erschossen.
    Frau Dresner flüsterte Danka zu, sie solle die Decke entfernen und ihrer Mutter geben; die wolle sich in die Baracke schleichen und sie zurücklegen. Das war nicht ganz ausweglos, die Baracken waren ebenerdig, und eine Frau, die in der hinteren Reihe stand, mochte unbemerkt hineinschlüpfen. Danka gehorchte, wie sie auch ehedem im Getto gehorcht hatte und hinter die falsche Wand gekrochen war. Während Frau Dresner in der Baracke war, schlenderte ein SS-Offizier vorbei und griff eine in Frau Dresners Alter heraus - es war vermutlich Frau Sternberg - und ließ sie an einen anderen, noch schlimmeren Platz im Lager bringen, wo niemand von Mähren träumte.
    Mag sein, die anderen Frauen, die hier draußen angetreten waren, weigerten sich zu begreifen, was ein solcher Vorgang bedeutete. Doch das Etikett »Schindlerfrauen« würde ihnen auf die Dauer nicht helfen. Es waren schon ganz andere »Industriearbeiter« in Auschwitz verschwunden, so ein ganzer Transport von jüdischen Spezialisten aus Berlin, den Gruppenführer Pohl eigens für IG Farben bestimmt hatte. Pohl hatte Höß sogar angewiesen, den Transport im Betrieb der IG Farben entladen zu lassen und nicht auf der Rampe von Auschwitz, doch von 1750 Gefangenen des ersten Transportes gingen 1000 sofort in die Gaskammern, und von 4000 in den folgenden vier Transportzügen wurden 2500 unverzüglich vergast. Und wenn die Lagerverwaltung in dieser Hinsicht nicht mal auf die Bedürfnisse der IG Farben und die Anweisungen von Pohl und der Abteilung W Rücksicht nahm, hatten die weiblichen Arbeitskräfte eines obskuren Kochtopffabrikanten erst recht keine Aussicht zu überleben.
    In den Baracken, in denen die Schindlerfrauen wohnten, war es kaum anders als im Freien, denn die Fenster waren unverglast, und der eisige Ostwind fegte durch den Raum. Die meisten Frauen litten an der Ruhr.
    Von Krämpfen geschüttelt, taumelten sie in ihren Holzschuhen hinaus in den Schlamm zu einem Ölfaß, das als Latrine diente. Das wurde von einer Frau gehütet, die dafür einen extra Schlag Suppe bekam. Als Mila Pfefferberg, von Krämpfen geschüttelt, das Faß eines Abends benutzen wollte, wurde ihr das verwehrt mit der Begründung, sie müsse auf die nächste warten und dann mit ihr gemeinsam das Faß leeren. Mila flehte die Frau an, sie doch auf das Faß zu lassen, doch nützte das nichts. Dabei war diese Frau gutartig, Mila kannte sie von früher her, doch das Bewachen des Fasses war für sie etwas wie ein Beruf geworden, es gab Regeln dafür, und indem sie auf deren Einhaltung achtete, konnte die Frau sich einreden, es gebe noch so etwas wie Ordnung, Hygiene und Vernunft.
    Gleich darauf erschien die nächste Anwärterin, in höchster Eile, ebenfalls von Krämpfen geschüttelt. Auch sie war jung und fügsam, und die beiden jungen Frauen schleppten das Faß 300 Meter zur Latrine. »Und wo bleibt Schindler jetzt?« fragte die andere. Nicht alle in der Baracke stellten diese Frage, jedenfalls nicht ironisch. Lusia, die schon in der Emalia gewesen war, eine Witwe von 22 Jahren, sagte immer

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