Schindlers Liste
Lastwagen angekommen, der einiges von Schindlers beweglicher Habe enthielt — Zigaretten, kistenweise Wodka, Cognac, Champagner. Man hat später behauptet, das alles habe Göth gehört und Schindler habe es für ihn nach Mähren ausgelagert, aber Göth war nun schon seit einem Monat in Haft und hatte nichts mehr zu sagen; man kann diese Luxusgüter also wohl als Schindlers Eigentum betrachten.
Jedenfalls wurde der Wagen nicht in der Fabrik entladen, das verhinderte die Anwesenheit der Gestapoleute, sondern die Flaschen verschwanden in einem nahe gelegenen Bach und zweihundertausend Zigaretten unter der Plane eines Transformators. Daß der Lastwagen so viele Zigaretten und Schnapsflaschen enthielt, ist bezeichnend: Schindler war zwar immer schon versessen gewesen auf Handelsware, doch nun gedachte er, gänzlich von seinen Geschäften auf dem schwarzen Markt zu leben.
Als die Sirene zur Mittagspause heulte, war alles entladen, und wenig später erschien Schindler, den die Gestapoleute am inneren Tor empfingen.»Wenn Sie was von mir wollen, kommen Sie in mein Büro«, knurrte Schindler und fuhr in den Hof. Die Gestapoleute gingen nebenher. Im Büro wollten sie von ihm wissen, welche Art seine Beziehungen zu Göth gewesen seien, ob er wisse, wo der seine Beute versteckt halte. Schindler sagte, Genaues wisse er nicht, doch habe Göth ihm einige Koffer zur Aufbewahrung anvertraut bis zu seiner Haftentlassung. Auf Verlangen der Gestapobeamten nahm er sie mit in seine Wohnung und stellte sie seiner Frau vor. Dann holte er die Koffer und öffnete sie. Die Koffer enthielten Zivilanzüge und Uniformen, die Göth gepaßt hatten, als er ein junger, schlanker Unterführer gewesen war. Als eine Durchsuchung der Kleider nichts ergab, wurde Schindler festgenommen. Nun mischte sich seine Frau ein. Man könne ihren Mann nicht einfach mitnehmen, ohne wenigstens zu sagen, was gegen ihn vorliege. In Berlin wird man das gar nicht gerne hören, sagte sie. Schindler riet ihr zu schweigen. »Du wirst allerdings die Klonowska anrufen und ihr sagen müssen, daß sie meine Besprechung absagt.«
Was das bedeutete, wußte Frau Schindler schon. Die Klonowska würde nach bewährtem Muster telefonieren, mit Plathe in Breslau, dem Stab von General Schindler, mit allen Personen von Einfluß, die sie kannte. Man legte Schindler Handschellen an und führte ihn zum Wagen. Von Zwittau nach Krakau ging die Fahrt mit der Bahn. Fast alle hatten den Eindruck, als habe diese Verhaftung ihn mehr geängstigt als die beiden vorangegangenen.
Von Trinkgelagen mit einem SS-Offizier in der Zelle konnte keine Rede mehr sein.
Schindler berichtete später allerdings, daß auf dem Bahnhofsvorplatz von Krakau ein gewisser Huth auf ihn zukam, ein Zivilist, Ingenieur seines Zeichens, ehedem in Plaszow. Der hatte dem Lagerkommandanten Göth zwar schöngetan, man munkelte aber, daß er den Häftlingen gegenüber besonders menschlich gewesen sei. Diese Begegnung mag Zufall gewesen sein, wahrscheinlicher aber ist, daß Huth schon von der Klonowska verständigt worden war, jedenfalls gab er Schindler ostentativ die Hand, und auf die Frage eines der beiden Kriminalbeamten, ob er sich ausgerechnet in aller Öffentlichkeit mit einem Deliquenten verbrüdern wolle,
ließ er eine Lobrede auf Schindler los und schloß: »Herr Schindler ist ein bedeutender Industrieller, ich halte es für ganz ausgeschlossen, daß er sich was hat zuschulden kommen lassen.«
Gleichwohl wurde Schindler zunächst mal in die Pomorskastraße gebracht und bekam ein Zimmer wie bei seiner ersten Verhaftung, also eines mit Bett und Waschbecken, doch die Fenster waren vergittert. Er fühlte sich sehr unbehaglich, wenn er sich auch unbeeindruckt gab wie ein Bär. Die Gerüchte, denen zufolge in den Kellern des Hauses gefoltert wurde, hatten ihn an seinem 34. Geburtstag im Jahre 1942. wenig beunruhigt; das war jetzt anders. Er wußte, daß die Gestapo nicht zögern würde, ihn zu foltern, falls sie glaubte, Göth durch seine Aussage überführen zu können.
Abends erhielt er Besuch von jenem Herrn Huth, der ihm zu essen brachte und eine Flasche Wein. Huth berichtete, die Klonowska habe seine alten Freunde alarmiert.
Tags darauf wurde er von SS-Offizieren vernommen, darunter ein SS-Richter. Schindler bestritt, Göth Geld gegeben zu haben, damit dieser, wie er ausgesagt hatte, »die Juden besser behandele«. Im Laufe der Vernehmung gab er zu, es sei möglich, daß er Göth ein Darlehen gegeben habe. Warum?
Weitere Kostenlose Bücher