Schindlers Liste
und sein Sohn hielten Auschau nach Clara Sternberg; Feigenbaum und sein Sohn nach Nocha Feigenbaum und ihrer zarten Tochter; Dresner und sein Sohn Janek, der alte Kisten-Jereth, Rabbi Levartov, Ginter, Garde und selbst Marcel Goldberg suchten ihre Frauen. Mundek Korn suchte nicht nur Mutter und Schwester, sondern auch Lusia, in die er sich verliebt hatte.
Den Maler Bau überfiel eine Melancholie, die er nie ganz überwand, denn er wußte jetzt mit Sicherheit, daß Rebecca und seine Mutter nicht nach Brünnlitz kommen würden. Der Juwelier Wulkan erblickte da unten seine Frau und war endgültig davon überzeugt, daß es Menschen gab, die handelten und erstaunliche Rettungstaten vollbrachten.
Pfefferberg hatte für seine Mila ein Päckchen Wolle bereit samt einer Häkelnadel, die er in der Werkstatt angefertigt hatte. Auch der zehnjährige Sohn von Frances Spira wartete da oben und mühte sich aus Leibeskräften, nicht loszuheulen, weil da unten im Hof so viele SS-Männer standen.
Die Frauen stolperten in ihren Fetzen aus Auschwitz über den gepflasterten Hof. Ihre Köpfe waren geschoren. Manche waren so krank und abgemagert, daß man sie nicht erkannte. Und doch war das eine außerordentliche Versammlung. Später war eigentlich niemand überrascht, als sich herausstellte, daß es eine Befreiung von Häftlingen aus Auschwitz in diesem Umfang weder vorher gegeben hatte, noch nachher geben sollte.
Die Frauen bezogen die für sie vorgesehene Unterkunft, in der es noch keine Pritschen gab, nur Stroh auf dem Boden. Aus einem großen DEF-Behälter teilte die SS-Aufseherin die Suppe aus, die Schindler versprochen hatte. Es war eine nahrhafte Suppe, und sie schien anzudeuten, daß auch die anderen Versprechen Schindlers Wahrheit werden könnten. »Ihr habt nichts mehr zu befürchten.«Nur ihre Männer konnten sie nicht erreichen. Über die Frauenunterkunft war sogleich eine Quarantäne verhängt worden. Die Ärzte hatten Schindler gewarnt: Niemand wisse, welche Krankheiten die Frauen aus Auschwitz mitgebracht haben könnten.
Immerhin gab es drei undichte Stellen: einen lockeren Stein in der Wand über der Pritsche von Mosche Bejski; auf der knieten des Nachts die Männer und sprachen mit ihren Frauen auf der anderen Seite der Wand. Ferner gab es einen Ventilationsschacht zur Frauenlatrine, und dann konnte man sich am frühen Morgen und späten Abend an der Barriere auf dem Balkon treffen. Da hörte man den alten Kisten-Jereth, der das Holz für die ersten Baracken in der Emalia geliefert hatte, seine Frau feierlich fragen, ob sie denn heute schon Verdauung gehabt habe — seine Frau, die in Auschwitz an der Ruhr erkrankt war!
Keine der Frauen wollte in die Krankenstube, aus Prinzip nicht. In Plaszow war der Aufenthalt dort gefährlich gewesen, weil Dr. Blancke die Häftlinge mit Benzolinjektionen abspritzte. Und hier in Brünnlitz war trotz allem mit überraschenden Inspektionen zu rechnen, vergleichbar der, der die Kinder zum Opfer gefallen waren. Anweisungen aus Oranienburg besagten, Kranke hätten in der Krankenstube eines Arbeitslagers nichts zu suchen, die sei nur für erste Hilfe für Arbeitsunfälle gedacht. Doch einerlei, was die Frauen darüber dachten, die Brünnlitzer Krankenstube wurde voll mit ihnen belegt. Janka Feigenbaum wurde dorthin verbannt, denn sie litt an Krebs. Sie wäre wohl auch im denkbar besten Krankenhaus verloren gewesen, und einen besseren Platz als diesen gab es für sie nicht. Zusammen mit einem Dutzend anderer, die kein Essen bei sich behalten konnten, kam auch Frau Dresner dorthin.
Lusia und zwei andere,, die ebenfalls Scharlach hatten, mußten in den Keller, aber sie hatten es warm da zwischen den Öfen. Lusia genoß trotz ihres Fiebers dankbar diese Wärme.
Frau Schindler arbeitete in der Krankenstube wie eine Nonne. Die Gesunden, vorab die Männer, die kräftig genug waren, Hoffmanns Maschinen abzubauen, bemerkten Frau Schindler kaum. Einer beschrieb sie später als stille und fügsame Ehefrau. Für die Gesunden stand im Mittelpunkt immer nur der bunte Vogel Schindler, der Kaninchen aus dem Hut zaubern konnte und auch
die Aufmerksamkeit aller Frauen auf sich zog, die sich noch auf den Beinen halten konnten.
Das galt auch für Manci Rosner, der Schindler, als sie einmal Nachtschicht hatte, die Geige ihres Mannes überreichte. Er hatte sich bei einem Aufenthalt in Groß-Rosen wirklich die Zeit genommen, nach dieser Geige zu suchen, und sie für hundert Reichsmark gekauft. Das
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