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Schindlers Liste

Schindlers Liste

Titel: Schindlers Liste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Keneally
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zu bringen.
    Väter und Söhne benutzten von Zwittau bis Kattowitz einen normalen Personenzug. Rosner erwartete, daß die Mitreisenden sich feindselig verhalten würden, statt dessen bekamen die Kinder Äpfel und Brot zugesteckt, und der Unterscharführer wandte nichts dagegen ein. Er hatte noch einen Kameraden bei sich, unter dessen Bewachung er die Gefangenen zurückließ, um bei einem Aufenthalt für sie etwas zu essen und zu trinken zu besorgen, wofür er selber bezahlte. Er ließ sich auch mit Rosner und Horowitz in ein Gespräch ein, und die beiden konnten nicht glauben, daß der Mann zu der gleichen Organisation gehörte wie Hujer und Göth und all die anderen. »Wir bringen euch von Brünnlitz nach Auschwitz«, sagte er, »und da holen wir Frauen ab, die wir zurück nach Brünnlitz bringen.»
    Die ersten Brünnlitzer, die von der bevorstehenden Heimkehr der Schindlerfrauen erfuhren, waren also - Ironie des Schicksals — Rosner und Horowitz, selber unterwegs nach Auschwitz. Die beiden Männer waren erleichtert. Nun hätten sie ihren Frauen gern geschrieben und siehe da, auch das war möglich. Der Unterscharführer gab jedem einen Bogen Papier, und Rosner nannte seiner Frau Manci eine Adresse in Podgorze, wo er sie treffen wollte, falls sie beide den Krieg überlebten. Der SS-Mann steckte beide Briefe ein.
    Rosner wußte nicht, was er davon halten sollte. War das ehedem vielleicht auch ein Fanatiker gewesen, der aus vollem Hals gebrüllt hatte: Die Juden sind unser Unglück!?
    Sein Sohn Olek war verständig genug zu begreifen, was hier vorging und daß sein Vater nur seinetwegen nach Auschwitz gebracht wurde. Das bedrückte ihn sehr, und Rosner wollte ihn trösten, wußte aber, daß er ihn nicht anlügen konnte. Trost wurde ihnen von ganz unerwarteter Seite zuteil. Der Unterscharführer, der Olek weinen sah, sagte zu ihm und Rosner: »Ich weiß Bescheid, aber vielleicht kommt ihr noch mal davon. Wir haben den Krieg schon verloren, und in Auschwitz bekommt ihr die Nummer.« Rosner hatte dabei das Gefühl, als gelte dieser Trost jenem Mann selber ebensosehr wie ihm und Olek.
    Frau Sternberg hörte an jenem Tag, da sie auf der Suche nach dem tödlichen Draht gegangen war, den Namensaufruf vor der Baracke der Schindlerfrauen, die von der ihren durch einen Stacheldrahtzaun getrennt war. Sie schleppte sich hin und hörte zu ihrem Erstaunen Schwatzen und Lachen. Dabei trugen diese Frauen nur Fetzen am Leibe und waren zu Skeletten abgemagert. Sogar die blonde SS-Aufseherin wirkte fröhlich, denn zusammen mit den Schindlerfrauen würde auch sie Auschwitz verlassen dürfen. »Ihr geht jetzt in die Sauna und anschließend auf Transport! « rief sie.
    Aus den umliegenden Baracken blickten Frauen, zum Untergang verdammt, verständnislos durch den Stacheldraht auf diese heiteren Schindlerfrauen. Man mußte sie einfach anstarren, denn ganz plötzlich schienen sie nicht mehr ins Lager zu gehören. Selbstverständlich wollte das gar nichts besagen, es war ein Ereignis ohne jede Konsequenz für die übrigen, es änderte nichts an deren Schicksal, machte die Luft nicht leichter zu atmen.
    Frau Sternberg fand den Anblick unerträglich, ebenso die sechzigjährige Frau Krumholz, die schon halb tot einer Baracke für alte Frauen zugeteilt worden war. Die verlangte jetzt von ihrer holländischen Barackenältesten, sie möge sie gehen lassen. Die Holländerin versuchte, sie davon abzubringen: »Wenn du gehst, verreckst du bloß in dem Viehwagen, und außerdem, wie soll ich erklären, daß du nicht mehr in der Baracke bist?« »Aber ich gehöre zu den Schindlerfrauen, ich stehe auf der Liste!« wandte Frau Krumholz ein.
    Sie stritten eine Weile, hielten sich gegenseitig ihr Schicksal und das ihrer Angehörigen vor und dabei erwies sich, daß beide Krumholz hießen. Die Holländerin vermutete ihren Mann in Sachsenhausen, die Krakauerin meinte, ihr Mann und ihr Sohn seien in Mauthausen. »Und ich soll nach Mähren, in Schindlers Arbeitslager. Mit den Frauen da drüben, hinter dem Zaun.
    Die kommen auch dahin.« »Nirgends kommen sie hin«, widersprach die Holländerin, »für uns alle gibt es nur ein einziges Ziel, das weißt du.« »Bitte laß mich gehen«, flehte die Krakauerin, »wenigstens will ich mit ihnen Zusammensein, egal wohin sie kommen!« Da ließ die Barackenälteste sie hinaus.
    Allerdings waren Frau Krumholz und Frau Sternberg durch einen Zaun von den übrigen Schindlerfrauen getrennt, keinen elektrifizierten Zaun, sondern

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