Schindlers Liste
zwischen all diesen Altertümern hatte er eine so moderne Wohnung. Frau Pfefferbergs Dekorationen waren ein deutlicher Beweis für seine geschäftlichen Erfolge.
»Offenbar kommst du gut zurecht in Polen«, bemerkte sie.
Schindler wußte, was sie bei solchen Aussprüchen im Sinn hatte: die nicht ausgezahlte Mitgift, die ihr Vater zwölf Jahre zuvor einbehalten hatte, als ihm zu Ohren gekommen war, daß sein Schwiegersohn wie ein Junggeselle lebte und seine Frau vernachlässigte. Die Ehe seiner Tochter ging ganz so, wie er befürchtet hatte, wozu also zahlen?
Daß er diese 400 000 Reichsmark nicht bekam, hatte tatsächlich einigen Einfluß auf Schindlers Werdegang, doch der alte Herr ahnte nicht, daß er seiner Tochter damit wesentlich mehr schadete als seinem Schwiegersohn; die konnte das nicht verwinden, sie fühlte sich mitschuldig, noch mehr in die Defensive gedrängt, und auch jetzt noch, zwölf Jahre später, als es Schindler nun wirklich nicht mehr darauf ankam, grämte seine Frau sich immer noch darüber.
»Ich habe das verflixte Geld doch nie gebraucht«, pflegte er zu knurren, wenn wieder mal davon die Rede war.
Es scheint, daß Emilie Schindler zu jenen Frauen gehörte, die wissen, daß ihr Mann nicht treu ist, noch je sein wird, und die es nicht schätzen, daß man ihnen den Beweis für seine Untreue unter die Nase reibt. So dürfte sie sich denn damals in Krakau recht zurückgehalten haben; die Bekannten ihres Mannes, denen sie gesellschaftlich hätte begegnen können, kannten gewiß die Wahrheit, kannten die Namen anderer Frauen, die sie auf keinen Fall erfahren wollte.
Eines Tages erschien bei ihr ein junger Pole es war Poldek Pfefferberg, der einmal fast ihren Mann erschossen hätte, doch wußte sie das nicht mit einem Teppich über der Schulter, den er im Auftrag von Ingrid besorgt hatte, die für die Dauer von Frau Schindlers Aufenthalt in Krakau aus der Wohnung ausgezogen war. Der Teppich stammte aus Istanbul und war über Ungarn gekommen.
»Ist Frau Schindler da?« fragte Pfefferberg, der Ingrid so titulierte, weil ihm das weniger peinlich war.
»Ich bin Frau Schindler«, sagte Emilie, die sich alles zusammenreimen konnte.
Pfefferberg reagierte recht geschickt: Er wolle eigentlich nicht zu Frau Schindler, die er übrigens nicht kenne, sondern habe geschäftlich mit Herrn Schindler zu tun. Der sei nicht da, sagte seine Frau, Sie bot Pfefferberg eine Erfrischung an, doch er lehnte hastig ab, Auch darauf konnte sie sich einen Reim machen: Der junge Mann
war von Oskars Privatleben schockiert und fand es unanständig, mit dem Opfer eine Tasse Kaffee zu trinken.
Die Fabrik, die Schindler gepachtet hatte, befand sich am anderen Weichselufer in Zablocie, Lipowastraße 4. Die Büros lagen nach der Straße zu, waren hell und modern, und Schindler kam gleich der Gedanke, es könnte nützlich sein, hier einmal eine Wohnung zu haben, im zweiten Stock, auch wenn dies ein Fabrikviertel war und nicht zu vergleichen mit der Straszewskiegostraße.
Als Schindler die Rekord- Werke übernahm und sie in Deutsche Emailwarenfabrik umtaufte, waren 45 Personen mit der Herstellung einer bescheidenen Menge Küchenutensilien beschäftigt. Anfang 1940 bekam er die ersten Heeresaufträge. Das war nicht überraschend, denn er hatte die benötigten Verbindungen zu den Leuten geknüpft, die solche Aufträge zu vergeben hatten, hatte sie auf Gesellschaften getroffen, sie im Hotel Krakowia bewirtet. Es gibt Fotos von Schindler, wie er mit diesen Leuten zu Tische sitzt, alle lächeln brav in die Kamera, alle sehen wohlgenährt und elegant gekleidet aus. Manch einer von diesen drückte den erforderlichen Stempel auf seine Angebote, schrieb die nötige Empfehlung an General Schindler, alles nur aus Freundschaft und weil er glaubte, Schindler werde die Liefertermine halten. Andere ließen sich dazu durch Geschenke bewegen, die Schindler jederzeit zu machen bereit war, Cognac und Teppiche, Schmuck und Möbel und üppige Präsentkörbe. Überdies sprach sich herum, daß General Schindler mit seinem Emailwaren produzierenden Namensvetter bekannt war und ihn gut leiden mochte.
Nachdem er im Besitze der lukrativen Heeresaufträge war, erlaubte man ihm eine Betriebserweiterung. Platz war genügend da. Der Bürotrakt der DBF hatte zwei Flügel, deren einer für die Produktion genutzt wurde, während der andere noch völlig leer stand. Also kaufte Schindler Maschinen, teils in Krakau, teils in Mähren. Er wollte nicht nur das
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