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Schindlers Liste

Schindlers Liste

Titel: Schindlers Liste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Keneally
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Krakau.« So Plathe.
    »Die werden Madagaskar nicht mal von weitem sehen«, widersprach Gebauer. Schindler schlug vor, das Thema zu wechseln. Er hatte übrigens mit angesehen, wie Gebauer einem jüdischen Geschäftsmann in der Bar des Hotels Krakowia falsche Papiere für die Flucht nach Ungarn übergab. Möglich, daß er sich das bezahlen ließ, doch Schindler hielt ihn für zu integer, um mit Papieren, Unterschriften, Stempeln zu handeln. Eines war sicher, trotz der Rolle, die er eben hier vor Toffel und Reeder gespielt hatte, ein Judenfeind war er nicht. Das war keiner der Anwesenden. Weihnachten 1939 genoß Schindler es ganz einfach, in ihrer Gesellschaft zu sein. Später würden sie ihm auch nützlich werden.
    Kapitel 6
    Nach der Aktion vom 4. Dezember war Stern davon überzeugt, daß Schindler ein gerechter Goi war. Der Talmud kennt die legendären Hasidei Untnot Ha-olam, die Gerechten unter allen Völkern, deren es zu jedem beliebigen Zeitpunkt der Weltgeschichte immer nur sechsunddreißig gibt. Stern glaubte nicht an diese mystische Zahl, aber die Legende als solche leuchtete ihm ein, und er hielt es für klug und geboten, aus Schindler eine lebende, atmende Zuflucht zu machen.
    Der Deutsche benötigte Kapital, denn Rekord verfügte nur noch über wenige Maschinen einige Blechpressen, Emailwannen, Drehbänke und Schmelzöfen waren alles. Stern mochte Schindlers Denken beeinflussen, aber zu Kapital verhalf ihm Abraham Bankier, der Bürovorsteher von Rekord, mit dem Schindler sich angefreundet hatte.
    So suchten sie denn gemeinsam mögliche Geldgeber auf. Mit Wirkung vom 2.3. November waren alle Konten und Schließfächer von Juden behördlich gesperrt worden; die Inhaber hatten keinen Zugang mehr und bekamen auch keine Zinsen. Wohlhabendere jüdische Geschäftsleute, die auch in Geschichte nicht unbewandert waren, verfügten aber noch über Beträge in Fremdwährungen, doch war es nicht einfach, die abzusetzen; Gold, Diamanten, Handelsware waren allemal vorzuziehen.
    Bankier kannte in Krakau einige Männer, die bereit waren, Geld auf zu liefernde Ware vorzustrecken, sagen wir 50 000 Zloty für die monatliche Lieferung von Töpfen und Pfannen im Gewicht von soundsoviel Kilo, für ein Jahr. Für einen Krakauer Juden war es leichter und ungefährlicher, mit Küchengerät als mit Zloty umzugehen, solange Frank auf dem Wawel saß.
    Keine der Parteien dieser Vereinbarungen besaß etwas Schriftliches, nicht einmal Notizen.
    Verträge aufzusetzen war sinnlos, ihre Einhaltung konnte nicht erzwungen werden. Für die Geldgeber kam es einzig darauf an, daß Bankier, der Vermittler, ihnen einen zuverlässigen Kreditnehmer präsentierte. Man traf sich zu diesem Zweck in Wohnungen der Innenstadt, soweit der potentielle Geldgeber nicht schon enteignet worden und nach Podgorze in ein ärmliches Quartier gezogen war.
    In solchen Fällen war eine möglicherweise kostbare Wohnungseinrichtung verloren, der Geschäftsmann bestenfalls noch Angestellter in seiner eigenen Firma, und das alles in der Spanne von wenigen Monaten. Man mag es für eine übertriebene Behauptung halten, daß niemand Schindler je vorgeworfen hat, eine solche Abrede nicht eingehalten zu haben, und tatsächlich kam es im folgenden Jahr zwischen ihm und einem jüdischen Großhändler wegen der Menge der zu liefernden Ware, die der Kunde im Lager der DBF in der Lipowastraße abholen durfte, zum Streit.
    Und dieser Mann hat bis an sein Lebensende darauf bestanden, recht gehabt zu haben. Daß Schindler aber je einen Vertrag überhaupt nicht eingehalten habe, das wurde nie behauptet. Denn er war der geborene Zahler, er vermittelte stets den Eindruck, über unbegrenzte Mittel für unbegrenzte Rückzahlungen zu verfügen. Und im übrigen — Schindler und andere deutsche Nutznießer machten in den folgenden vier Jahren so gute Geschäfte, daß nur jemand, der von Profitgier förmlich zerfressen wurde, eine Ehrenschuld, wie der alte Schindler gesagt hätte, nicht hätte bezahlen wollen.
    Im neuen Jahr kam Frau Emilie nach Krakau, um ihrem Mann den ersten Besuch abzustatten.
    Sie fand, sie sei noch nie in einer schöneren Stadt gewesen. Wieviel angenehmer wares hier doch, so anheimelnd altmodisch, ganz anders als in Brunn mit dem ewigen Qualm seiner Industrien. Die Wohnung ihres Mannes gefiel ihr sehr. Sie hatte einen Blick auf die Planty, den eleganten Grüngürtel, der sich anstelle der alten Wallanlagen um die Stadt zog. Am Ende der Straße ragte der Wawel auf, und

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