Schindlers Liste
des Reiches einen festen Platz haben. »Sie werden sich wohl mit den Schneeschauflern abfinden müssen«, schloß Toffel.
Schindler spielte jetzt den entrüsteten Patrioten oder auch den entrüsteten Profitmacher:
»Wenn wir den Krieg gewinnen wollen, müssen wir solche SS-Funktionäre in die Wüste schicken.«
»Die? In die Wüste schicken? Na, hören Sie mal, das sind ja gerade die, die den Ton angeben.«
Nach mehreren solcher Gespräche trat Schindler dafür ein, daß dem Unternehmer seine Arbeitskräfte ständig verfügbar sein, daß diese Arbeitskräfte ungehinderten Zugang zum Arbeitsplatz haben müssen und daß sie auf dem Weg zur und von der Arbeit nicht belästigt werden dürfen. Schindler sah darin nicht nur einen moralischen, sondern auch einen unternehmerischen Grundsatz, und am Ende verwirklichte er ihn in seiner Fabrik, soweit das menschenmöglich war.
Kapitel 7
Aus den größeren Städten — Warschau und Lodz mit ihren Gettos und Krakau, das laut Frank in absehbarer Zeit »judenfrei« sein sollte — wanderten jüdische Bewohner ab aufs Land, um in der bäuerlichen Bevölkerung unterzutauchen. Die Brüder Rosner, Musiker aus Krakau, die später gut mit Schindler bekannt wurden, wählten das alte Dorf Tyniec. Es lag malerisch in einer Weichselkrümmung, beherrscht von einer alten Benediktinerabtei auf einem Kalksteinfelsen, und Rosners glaubten, hier bleiben zu können. Es gab etliche jüdische Ladenbesitzer, auch orthodoxe Handwerker, und mit denen hatten Rosners, die in Nachtclubs aufzutreten pflegten, sich wenig zu sagen. Bei den Bauern, die der eintönigen Feldarbeit nachgingen, fanden sie jedoch großen Anklang.
Sie kamen nicht aus Krakau, wo die Juden jetzt am Sammelplatz in der Mogilskastraße vor dem botanischen Garten auf Lastwagen gepfercht wurden, wobei man ihnen fälschlich versicherte, alles ordnungsgemäß mit Anschriften versehene Gepäck werde nachgeschickt, sie kamen vielmehr aus Warschau, wo sie im Basilisk aufgetreten waren. Leopold und Henry und dessen Frau Manci und ihr fünfjähriger Sohn Olek hatten Warschau verlassen, einen Tag bevor die Deutschen das Getto sperrten.
Rosners hatten sich überlegt, daß ein Dorf in Südpolen wie Tyniec, nicht weit von ihrem heimatlichen Krakau gelegen, sich für ihre Zwecke besonders gut eignete. Sollten die Verhältnisse sich bessern, bestand die Möglichkeit, mit dem Bus nach Krakau zu fahren und sich nach Arbeit umzusehen. Manci Rosner hatte ihre Nähmaschine dabei und übernahm in Tyniec Schneiderarbeiten. Die Brüder spielten abends in den Wirtschaften und wurden dementsprechend angestaunt, denn auf dem Dorf bekam man derartiges normalerweise nicht zu hören, zumal nicht einen so vortrefflichen Geiger wie Henry.
Eines Abens hörte ein durchreisender Volksdeutscher aus Posen Rosners vor der Wirtschaft spielen. Er war bei der Krakauer Stadtverwaltung beschäftigt und gehörte jener in Polen lebenden deutschen Minderheit an, in deren Namen Hitler das Land besetzt hatte. Er eröffnete Henry Rosner, daß Obersturmbannführer Pavlu samt seinem Stellvertreter, dem bekannten Skiläufer Sepp Röhre, zur Erntezeit die Dörfer besuchen und so ausgezeichnete Musiker wie Rosner gewiß gern hören würde. Eines Nachmittags, die Garben lagen bereits gebunden auf den Feldern, rollte eine Wagenkolonne durch Tyniec, eine Anhöhe hinauf, auf der die Villa eines abwesenden polnischen Gutsbesitzers stand. Auf der Terrasse wurden sie von den festlich gekleideten Brüdern Rosner erwartet, und als die Damen und Herren in einem Saal Platz genommen hatten, der wohl früher als Ballsaal gedient hatte, wurden die Musiker aufgefordert zu spielen. Der Anblick dieser herausgeputzten Gesellschaft versetzte Henry und Leopold zugleich in Schrecken und Erregung. Pavlu und seine Begleitung hatten sich wirklich feingemacht, die Damen trugen weiße Kleider und Handschuhe, die Herren Extrauniform. Ein so fein gekleidetes Publikum ist leicht zu enttäuschen, und Juden, die eine so kulturbeflissene Zuhörerschaft nicht zufriedenstellten, hatten Schlimmes zu gewärtigen.
Indessen, die Zuhörer waren hoch befriedigt. Sie liebten Strauß, Offenbach und Lehar, André Messager und Leo Fall. Sie wurden geradezu sentimental. Und tranken dazu aus langstieligen Gläsern mitgebrachten Champagner.
Nach Beendigung des Konzertes gesellten Rosners sich zu den Bauern und den Soldaten des Begleitkommandos am Fuße des Hügels, und falls es zu einem unangenehmen Zwischenfall kommen
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