Schindlers Liste
Seibert, dem Verbindungsmann zwischen Stadtverwaltung und Judenrat.
Dafür sollten über die von Frank vorgesehene Zahl von Juden l0000 weitere die Erlaubnis bekommen, in der Stadt zu bleiben. In der Gerichtsverhandlung kam nicht an den Tag, ob Reichert zuviel von dem Geld für sich abgezweigt, mithin die zu Bestechenden mit einem zu geringen Angebot beleidigt hatte, oder ob diese Herren es zu gefährlich fanden, dem Generalgouverneur in seinem Lieblingsvorhaben, die Stadt judenfrei zu machen, in die Quere zu kommen. Biberstein jedenfalls bekam zwei Jahre Gefängnis, Goldfuß ein halbes Jahr Konzentrationslager Auschwitz. Reichert selber bekam acht Jahre. Allerdings würde es ihm weniger schlimm ergehen als den beiden anderen. Über den Einfall, 200 000 Zloty auf eine so Ungewisse Sache zu setzen, konnte Schindler nur den Kopf schütteln. »Reichert ist ein Betrüger«, murmelte er nur. Eben noch war es darum gegangen, ob nicht er und C. ebenfalls Betrüger seien, und die Frage war offengeblieben. Im Falle Reichert gab es keinen Zweifel.
»Ich hätte denen sagen können, daß Reichert ein Betrüger ist«, beharrte er.
Stern bemerkte, es gäbe Zeiten, in denen man einzig noch mit Betrügern Geschäfte machen könne. Darüber lachte Schindler herzlich. »Danke für das Kompliment, lieber Freund«, sagte er zu Stern.
Kapitel 8
Weihnachten war in diesem Jahr nicht so schlimm. Doch die Stimmung war gedämpft, Schnee lag auf dem Grüngürtel gegenüber vor Schindlers Fenstern, auf dem Dach des Wawel, vor den Fassaden der alten Häuser in der Kanoniczastraße. An eine rasche Änderung zum Guten glaubte niemand mehr, nicht die Soldaten, nicht die Polen und nicht die Juden beiderseits der Weichsel.
Schindler schenkte seiner polnischen Sekretärin Klonowska zu Weihnachten einen Pudel, ein putziges Tierchen aus Paris, das Pfefferberg besorgt hatte. Ingrid bekam Schmuck, seine Frau in Zwittau ebenfalls. Pudel waren schwer aufzutreiben, Schmuck hingegen leicht. Die Zeiten waren so, daß Schmuck unentwegt zirkulierte. Es scheint, daß Schindler seine Beziehung zu drei Frauen, dazu noch gelegentliche Begegnungen mit weiteren unterhalten konnte, ohne dafür die Strafen zu erleiden, die dem Schürzenjäger gemeinhin drohen. Besucher können sich nicht erinnern, Ingrid je in schlechter Laune angetroffen zu haben.
Sie scheint eine großmütige und gefällige junge Frau gewesen zu sein. Emilie Schindler, die noch mehr Grund hatte, sich zu beklagen, verzichtete aus Selbstachtung darauf, ihm Szenen zu machen. Sollte Klonowska verbittert gewesen sein, so war ihr das jedenfalls nie anzumerken, sie war die perfekte Sekretärin und dem Herrn Direktor treu ergeben. Man hätte doch denken sollen, daß bei dem Leben, das Schindler führte, öffentliche Konfrontationen zwischen wütenden Frauen an der Tagesordnung gewesen wären, doch von Schindlers Freunden, auch seinen Angestellten erinnert keiner sich an derartige Auftritte, unter denen viel vorsichtigere Sünder zu leiden haben.
Wer da sagt, und das ist vorgekommen, jede Frau dürfte sich glücklich preisen, auch nur einen Teil von Schindler zu besitzen, tut den beteiligten Frauen unrecht. Vielleicht lag es daran, daß Schindler in ein naives und ganz aufrichtiges Staunen verfiel, wenn man ihm von ehelicher Treue redete. Man kann einem Laien schließlich nur eine Vorstellung von der Relativitätstheorie vermitteln, wenn er wenigstens fünf Stunden stillsitzt und zuhört.
Schindler saß niemals fünf Stunden still und verstand nie, wovon die Rede war. Nur für seine verstorbene Mutter nahm er sich Zeit. Am Weihnachtsmorgen ging er um ihretwillen zur Messe in die Marienkirche. Bis vor einigen Wochen hatte über dem Hochaltar ein Tryptichon von Veit Stoß gehangen, das die Aufmerksamkeit der Gläubigen auf sich zog. Der leere Fleck, die hellere Stelle, die anzeigte, wo das Tryptichon gehangen hatte, lenkte Schindler ab, ernüchterte ihn. Jemand hatte es gestohlen. Es war nach Nürnberg transportiert worden. Was war das nur für eine Welt!
Die Geschäfte gingen in jenem Winter gleichwohl glänzend. Nach Neujahr legten seine Bekannten in der Rüstungsinspektion Schindler nahe, sich mit der Herstellung von Panzerabwehrgranaten zu befassen. Schindler aber waren Töpfe und Pfannen lieber; die waren einfach herzustellen. Das Material wurde geschnitten und gepreßt, in Behälter mit Email getaucht, bei der richtigen Temperatur gebrannt. Es mußten keine Maschinen kalibriert werden, es kam
Weitere Kostenlose Bücher