Schischkin, Michail
veranstalteten
allerlei Zauber: zupften sich Haare aus dem Kopf, fädelten sie durch einen
Ring, hielten sie übers Foto - hing der Ring still, hieß das, der Sohn war tot,
pendelte er, war er am Leben. Tagsüber streiften sie durch die Dörfer. Da saß
eine alte Tschetschenin vor ihrem zerstörten Haus hinterm Waschtrog, eine
Russin ging zu ihr mit dem Bild: Mütterchen, hast du nicht zufällig mein Kind
gesehen? Aber auf diesen Fotos sehen sie alle gleich aus. Ja, sagte die Alte,
das ist der, der meinen Sohn getötet hat.
Antwort: Hören
Sie...
Frage: Sie sind
geflohen, um nicht tun zu müssen, was man von Ihnen erwartete, ja?
Antwort: So hören
Sie doch! Ich wollte einschlafen und als ein anderer aufwachen. Ich wollte
nicht mehr ich sein. Nicht mehr in meine Haut zurück, jedenfalls nicht an
diesem Ort, zu dieser Zeit. Und da träumte mir nun, dass ich Wache stehe, und
plötzlich erscheint sie. Ich brülle: Halt, oder ich schieße! - und flüstere: Wo
kommst du denn her? Sie tritt vor mich hin, küsst mich auf den Mund und legt
mir die Hände auf die Schultern, ihre Finger kommen mir vor wie Rangstreifen.
Als ich erwachte, wusste ich nicht, wo ich bin. Ich war auf irgendeinem Schiff.
Kein gewöhnliches, eher eins wie aus dem Museum. Um mich her merkwürdige Leute,
Seefahrer. Jemand stieß mich an - wie sich herausstellte, war es der
Schiffsherr, mit einem grauen und einem braunen Auge, ein Suffkopf und Mörder,
der brüllte mich an: Was schläfst du! Wo der Herr doch einen großen Wind aufs
Meer kommen ließ und ein großes Ungewitter sich erhoben hat, dass man meint,
das Schiff würde zerbrechen!
Frage: Was für
ein Schiff? Was für Seefahrer? Wohin ging die Fahrt?
Antwort: Eins, das
von Japho gen Tharsis wollte und vor langer, langer Zeit sank, und die
Seefahrer, falls sie je gelebt haben, sind schon lange, lange tot. Auf diesem
Schiff ward die Glocke geschlagen, und der Kapitän brüllte mich an: dass die
Schiffsleute Angst hätten und schrien, ein jeder zu seinem Gott, und das Gerät,
das im Schiff sei, würfen sie ins Meer, damit es leichter würde. Und du liegst
hier unten und pennst!, brüllte er. Steh auf, rufe deinen Gott an! Ob er nicht
vielleicht unser gedenken wollte, dass wir nicht verdürben! Und von den
Schiffsleuten sprach einer zum andern: Kommt, wir wollen losen, dass wir
erfahren, um wessen willen es uns so übel geht. Und da sie losten, traf es
mich. Da fragten sie: Sage uns, warum geht es uns so übel? Was ist dein
Gewerbe, und wo kommst du her? Aus welchem Lande bist du, und von welchem Volke
bist du? Und ich sprach zu ihnen: Ich bin ein UE. Mein Volk, in blauen
Unterhosen und Kunstlederstiefeln, spielt Fußball mit einem Ball ohne Luft.
Nachts bin ich raus. In der Dunkelheit beim Wachpilz bewegte sich was. Jemand
rief: Komm her! Ich hab eine Büchse Kondensmilch. Gezuckert! Ich ging hin, ohne
zu wissen, wer das war. Er öffnete die Büchse mit dem Bajonett. Wir begannen
das Zeug zu schlecken. Tunkten den Finger ein und leckten ihn ab. Und er sagte,
ich solle den nächsten Tag in irgendein Ninive gehen, das liegt bei Katyr-Jurt,
zu einer Säuberungsaktion. Da wurde mir bang, wusste ich doch, ich war nicht
mehr ich, sondern ein anderer. So sprach ich. Und die Seefahrer fürchteten
sich, als sie sahen, vor wem ich auf der Flucht war. Geh!, flehten sie, geh
schleunigst nach Ninive! Du fliehst doch vor dem Herrn! - Wer soll das sein?,
fragte ich sie. Da wunderten sie sich noch mehr: Gott! Ohne den kein Leben
wäre! - Macht mal halblang! Uns hat man was von einem Urknäuel erzählt, das
soll irgendwann explodiert sein, und seither wächst das alles und breitet sich
aus, der ganze Kosmos. Geht's darum, Schiffsleute? Darauf sie: Kann sein, so
ungefähr. Am Anfang war die Liebe. So ein Liebesknäuel. Genau genommen noch gar
keine Liebe, nur das Bedürfnis danach, denn da war ja noch keiner, den man
hätte lieben können. Gott fühlte sich allein, und Er fror. Diese Liebe
verlangte nach einem Exodus, einem Objekt. Gott suchte nach Wärme, Er verspürte
ein Anlehnungsbedürfnis, hätte gern die Nase in so einen appetitlichen
kindlichen Nacken vergraben, Fleisch vom Fleische - und so schuf Gott sich ein
Kind, das wollte Er lieben: Ninive. Er nahm dazu einen bei Bamut getöteten
Soldaten. Du kennst ihn, es ist der Graue. Aus dessen Leib schuf Er das Land.
Aus dem Blut, das der Wunde entfloss, wurden Flüsse und das Meer. Berge aus den
Gebeinen. Findlinge und anderes Gestein aus den Schneide- und den
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