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Schischkin, Michail

Schischkin, Michail

Titel: Schischkin, Michail Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Venushaar
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durch.
    Der
Spaziergang wurde lang. Pawel schimpfte ausgiebig auf die Entente. Denen wir
wohl in Wirklichkeit schnuppe sind. Wenn schon mal Monturen aus dem Westen
eintreffen, dann entweder in Zwergen- oder in Riesengrößen. Einmal kamen
mehrere Waggons mit Stiefeln: ausschließlich linke! Man schickte Bambusspeere,
Maschinengewehre ohne Patronen und mit Gurten, in die unsere Patronen nicht
passten, irgendwelche Kanonen aus der Zeit der Burenkriege. Als er erzählte,
die Engländer hätten Maultiere geschickt, die, bevor sie an der Front hätten
anlangen können, schon zu Schaschlyk verarbeitet waren, fand ich das lustig,
was Pawel mir übel nahm.
    Nächste
Woche geht er wieder auf Dienstreise.
    Als wir an
seinem Labor vorbeikamen, erzählte er, der alte Meierson, dessen Sohn mit den
Roten in den Krieg gezogen sei, komme ständig herein, betrachte schweigend sein
altes Geschäft, gehe wieder.
    Ein alter
Mann vermag Pawel anscheinend mehr aus der Fassung zu bringen als ich.
    Und wieder
konnte ich mich nicht entschließen, unser entscheidendes Gespräch zu beginnen.
Bei dem Gedanken, ich müsste ihm ausgerechnet jetzt all das sagen, krampfte
sich mir das Herz zusammen. Was würde aus ihm? Wie könnte er an die Front
fahren mit solchen Gedanken im Kopf? Nein, wir werden uns aussprechen, wenn er
wiederkommt.
     
    3. August 1919. Samstag
    Was für
ein langer Tag! Der Reihe nach.
    Wieder ein
Abend bei den Nikitins. Wären wir lieber nicht hingegangen!
    Pawel
gegenüber verlor ich schon zu Anfang die Beherrschung. Er kam, mich abzuholen,
als ich noch beim Ankleiden war. Drängte zur Eile. Das brachte mich zur
Weißglut. Wie ich aussehe, ist ihm völlig egal! Hauptsache, man ist schnell vor
Ort und kann die Welt retten! Die Rettung der Welt kann warten, entgegne ich
ihm. Auf ein gutes Entree kommt es an, auf der Bühne wie im Leben. Und darum
werden wir genau so viel zu spät kommen, wie es nötig ist! Er schmollte. So
kamen wir dort an - wütend aufeinander. Doch alle Augen hingen an mir, als ich
eintrat!
    Ich frage
mich nur: Wozu? Keiner kam auf die Idee, mich zum Singen aufzufordern.
    Tschirikow
war nicht da, auch Trofimow nicht. Dafür Boris Lasarewski! Ich besitze einen
Band Erzählungen von ihm. Erinnere mich, dass mir das Buch gut gefiel, auch
wenn Papa meinte: »Wozu wie Lasarewski schreiben, wenn schon Tschechow so
geschrieben hat?« Außerdem anwesend ein Herr Kriwoschein aus der Redaktion der Welikaja
Rossija, die gerade von Jekaterinodar nach Rostow gezogen ist. Den
Typ kennen wir zur Genüge: dick, Glatze, hundert Meter gegen den Wind nach
Schweiß riechend und gleich mit Anzüglichkeiten zur Stelle. Auch der Professor
vom letzten Mal war da, Ladyshnikow heißt er. Und dazu wieder die Mirtowa, die
sich den ganzen Abend wichtigmachte! Wozu werden solche Leute eingeladen? Das
verstehe ich nicht. Schließlich noch ein paar gelehrte graue Mäuse. Die Namen
habe ich mir nicht gemerkt.
    Nikitin
hat doch nicht gelesen. Er sei noch nicht fertig damit, entschuldigte er sich.
Ich blickte zu Eudoxia Fjodorowna. Das wäre doch die Gelegenheit! Sie aber
schaute zu ihrem Professor. Dann erzählen Sie uns doch
etwas Interessantes!
    Und so
ging es los. Der reinste Zirkus!
    Nikitin
und Ladyshnikow bekamen sich in die Haare, aber wie! Dass die Fetzen flogen!
Wie zwei Hähne im Kampf um eine Henne!
    Ladyshnikow
fing damit an, dass die Freiwilligenarmee um keinen Deut besser als die Rote
sei. »Sie sind Temernik, und wir sind Temernik, nur dass wir als Kinder
gehätschelt und getätschelt worden sind und in Französisch unterrichtet, aber
bei der erstbesten Gelegenheit lassen wir uns gehen und werden wie sie! Wir
sind es schon! Wer in Russland die Macht hat, muss sie mit Zähnen und Klauen
verteidigen - der Zar brauchte den Biss nur ein wenig zu lockern, schon fiele
alles auseinander. Und je kräftiger das Gebiss, desto mehr ist das russische
Volk bereit zu sagen: Fresst uns! Sonst fressen wir euch! Und jetzt kämpfen die
weißen Ritter unseres Abwehrdienstes mit dem Bösen, und wir erschießen Menschen
in demselben Wäldchen, in dem zuvor wir erschossen worden sind! Diesen Krieg
werden wir trotzdem verlieren«, fuhr er fort, »auch wenn wir ihn gewinnen
sollten, denn längst haben wir uns mit denen, die wir bekämpfen,
gemeingemacht.« Bei diesen Worten hieb er mit der Faust auf den Tisch, dass
eine Vase umzukippen drohte, und knurrte: »Das Gute muss dem Bösen unterliegen
- darin liegt seine Stärke!«
    Und so
ging das weiter -

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