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Schischkin, Michail

Schischkin, Michail

Titel: Schischkin, Michail Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Venushaar
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ihnen ganz recht, so fand ich. Genau wie es Blok, das Genie, in seinem
Poem dargelegt hat!... Erst als sie dann zu uns kamen, merkte ich, dass es gar
nicht um die Dinge geht und ihren Wert. Als die Männer einzusacken begannen,
was ihnen gefiel, und auch Mama sich aufs Bitten und Flehen verlegte, in Tränen
ausbrach, da begriff ich: Es geht um die menschliche Würde. Lieber schweigend
dabeistehen! Papa war es damals, der uns alle gerettet hat. Denn die
Haussuchung endete damit, dass die Männer mit ihm im Behandlungszimmer
verschwanden und sich alle untersuchen ließen. Und im Gehen bedankten sie sich
artig: »Vielen Dank, Doktor!«
    Die
Fahrradteile liegen bis heute überall in der Wohnung herum, an den alten
Verstecken. Und Sascha wird sie nicht mehr zusammenbauen.
     
    11. August 1919. Sonntag
    Sabugski
saß heute in der ersten Reihe. Der Alte ist in keinem guten Zustand:
vertrottelt, schmutzig, heruntergekommen - doch er lauerte auf mich mit einem
Blumenstrauß. Armer Jewgeni Alexandrowitsch! Dabei werde ich nie vergessen, was
er sich damals während der Prüfung geleistet hat: ich in großer Not, und
Sabugski spaziert in einem fort an mir vorbei, keine Chance abzuschreiben - ich
werfe Ljalja flehende Blicke zu, mache ihr heimlich Zeichen, sie soll mir einen
Spickzettel schreiben - und auf einmal legt Sabugski unauffällig ein akkurat
gefaltetes Stück Papier vor mich hin, ich falte es auf und sehe: Da stehen alle
Lösungen, alle Antworten - in seiner Schrift! Und dann, die Prüfung ist
gelaufen, lässt er mich in sein Kabinett kommen, erklärt mir seine Liebe, macht
mir einen Antrag. Ich weiß nicht, ob ich lachen oder heulen soll.
    Was für
eine jämmerliche Figur! Und wie blind war ich doch gewesen, hatte nichts
gemerkt! Wenn er durch die Klasse lief und hinter meiner Bank stehen blieb, mir
seinen Atem in den Nacken blies und ich immer dachte: Gleich vergisst er sich,
packt mich beim Pferdeschwanz und zerrt - war sein sehnlichster Wunsch doch
nur, mich zu berühren, zu streicheln...
    Wenn ich
an meine vielen Verehrer heute denke! Ich weiß nicht, wie mich vor ihnen
retten!
    Zum
Beispiel dieser namenlose Knabe - steht da, hochrot im Gesicht, und himmelt
mich schweigend an! Einen geschlagenen Monat stellt er mir nun schon nach und
traut sich doch nicht näher. Am liebsten möchte ich ihn mit einem Bonbon heranködern
und eine kräftige Backpfeife geben, damit er seine Schulaufgaben macht,
anstatt Dummheiten zu treiben.
    Und der
Dentist mit seiner Glanzleistung - ein tolles Gefühl, auf der Bühne den Mund
aufzumachen, und keiner sieht eine Plombe!
    Und erst
dieser Gorjajew! Er gefiel mir, und wie! Bis zu dem Moment, da ich Papa
besuchen ging und ihn im Wartezimmer sitzen sah. Bei meinem Anblick wurde er
grün im Gesicht. Oho, haben der Herr eine Syphilis? Gonorrhö?... Und es hatte
sich mit der Liebe.
    Dass ich
Eindruck mache, weiß ich. Spüre immerzu diese hungrigen, gierigen Blicke. Aber
ist es das, was ich will?
    Nachts
heule ich und bin am Sterben - und des Morgens erhebe ich mich mutig und stark.
Bis zur nächsten Nacht, zur nächsten Angst. Alleinsein ist nichts für mich.
Plötzlich übermannt mich Sehnsucht, so eine Gier nach Liebe, Zuwendung, dass
ich fürchte, dem Erstbesten zu erliegen, der mich zärtlich lockt.
    Manchmal,
sehr selten nur, träume ich von Aljoscha. Dann bin ich wieder die Gymnasiastin,
mit nichts als dieser Liebe. Das sind die reinsten und lichtesten meiner
Träume, die traurigsten auch. Danach laufe ich eine Weile herum wie eine
Schlafwandlerin, dem Leben entrissen. Empfinde einen Widerwillen gegen alle
Männer, gleich, welcher gerade in der Nähe ist. Vermutlich ist das eine
Krankheit. Die Krankheit einer jäh vom Tod beendeten Liebe. An ihr - an
Aljoscha - werde ich wohl mein Leben lang zu leiden haben.
    Und zu
alledem Pawel!
    Bloß gut,
dass Aljoscha das nicht sehen kann. Und wenn doch?
     
    12. August
1919. Montag
    Nächste
Woche kommt Pawel zurück.
    Denke ich
an ihn, verkrampft sich mir das Herz von einem seltsamen Gefühl - Schuld und
Beklemmung, dazu Überdruss, Einsamkeit - eine Melange, die man nicht
beschreiben kann!
    Wie
kuriere ich ihn bloß von dieser unnützen Liebe? Nein, Blödsinn - unnütze Liebe,
das gibt es nicht. Aber was soll ich tun? Ich möchte sein Glück und quäle ihn
doch nur.
    Warum tue
ich das? Weil es mir selber nicht gut geht.
    Manchmal
ist mir, als wäre Pawel mein bester Freund. Dann möchte ich mich bei ihm
anschmiegen, unterkriechen an seiner

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