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Schischkin, Michail

Schischkin, Michail

Titel: Schischkin, Michail Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Venushaar
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Dich wichtiger als alles auf
der Welt! Warum quälst Du mich dann so? Wo bist Du?
    Meine
Finger spielen mit den Achatperlen. Meinen Glücksbringern, meinem Junistein!
Er hat mir Glück gebracht, nämlich Dich.
Aber bist Du denn wirklich mein?
     
    Auf der
Treppe Gezeter. Den Nachbarn wurde die Wäsche vom Dachboden gestohlen.
     
    Schon eine
Woche kein Zeichen von Dir, dabei müsstest Du tagtäglich schreiben, ginge es
nach mir. Ich hangele mich von Brief zu Brief, musst Du wissen. Bitte schreib!
Mit einem Brief von Dir schlafe ich gleich viel besser!
    Du hast
noch nicht einmal geschrieben, ob Du schon in Tschechows Hamlet warst.
Hier redet man über nichts anderes.
    Schreib -
irgendwas! Ich brauche keine ausführlichen Berichte. Ein paar Zeilen genügen
schon. Von Deiner Schrift, von Deiner Hand...
    Ich sitze
am Fenster, schaue in den Regen - und sehe uns beide durch Moskau laufen damals
im April, rastlos Getriebene. Wir wollten zu zweit sein, allein miteinander,
und hatten keinen Ort, unterzukriechen. Welch pfiffige Idee, sich vor den
anderen im Museum zu verstecken! Weißt Du noch, in der Morosow-Galerie? Die
Impressionisten? Degas' Frühling? Bei
Schtschukin hat mich die kubistische Venus von Picasso
fasziniert! Monströs, gewaltig, aus nichts als Ecken bestehend. Du hast mir
etwas von Kubismus erzählt. Aber dann begriff ich, dass es darum gar nicht
ging. Diese Frau war einfach nur von aller Liebe verlassen. So zu werden muss
furchtbar sein!
     
    Draußen
ist Nebel. Herbst in Piter. Nässe in der Luft und doch kein Regen - diese
spezielle Art Luftfeuchte, der man nur hier begegnet. Immer noch besser als
dieser Dreck, den wir im Sommer hatten. Die ganze Zeit Schwüle und ein
Höllenstaub, überall wurde das Pflaster ausgebessert, Wände wurden geweißt, auf
den Straßen nirgends ein Durchkommen, Baugruben, umherliegendes Werkzeug,
Eimer, Schaufeln, es stank nach Farbe und Pferdeschweiß.
    Aber seien
wir froh, dass diese schrecklichen Jahre überstanden sind, die furchtbare,
bettelarme Zeit hinter uns liegt. Die Stadt putzt sich heraus, erstmals seit
dem Krieg werden wieder Häuser angestrichen, Gehsteige repariert, überall wird
die Zentralheizung instand gesetzt, man geht wieder gut gekleidet, für Geld
lässt sich alles kaufen, die Leute fahren sommers wieder auf die Datscha!
    Mit dem
Geld kommt man immer noch durcheinander. Im Gostiny Dwor, wo ich Schuhe kaufen
war, fragte mich das Fräulein an der Kasse, wie viel ich bezahlen möchte:
Tausend? Millionen? Die Verkäuferin hatte unleserlich viele Nullen auf den
Zettel geschrieben.
    Alles
ändert sich so schnell! Die Witze altern am schnellsten. Weißt du noch, den mit
dem Klempner, der die Rohre repariert? »Er kam zu uns ohne eine Kopeke und ging
nach einer halben Stunde als Millionär!« Was daran lustig war, versteht heute
keiner mehr.
    Und
genauso schnell vergisst man. Weißt du, was ich von meiner Schwester Katja
1921 zum Geburtstag geschenkt bekam? Eine schwere alte Portiere - für einen
Wintermantel. Wie glücklich war ich darüber!
    Neuerdings
habe ich Geld. Manchmal gar nicht so wenig. Aber was nützt es einem, Geld zu
haben in einem armen Land? Reichtum und Hunger - alles miteinander vermischt.
Bei Jelissejew auf dem Newski-Prospekt gibt es Wild, lebenden Fisch und tropische
Früchte, galante Bedienung obendrein, aber vor dem Eingang hocken die Bettler.
So war es immer, so wird es bleiben. Man sollte lernen, sich daran zu gewöhnen.
Aber ich kann das nicht.
    Ich laufe
durch die Stadt und sehe Menschen in elendem Zustand, manchmal ganze Familien,
auf dem nackten Gehsteig schlafen, mit nichts als Fetzen am Leib, verlaust. Vor
ihnen auf dem Trottoir liegt der Hut oder die verschlissene Mütze für das
Kleingeld. Wirft man etwas hinein, wird es von Straßenjungen gleich wieder
gestohlen - und wenn das nicht, dann versoffen. Alle sind sie barfuß. Allein
der Anblick der Füße, schaut man allzu genau hin, kann einem die Laune für den
Rest der Woche verhageln, die Lust auf jeden Restaurantbesuch vergehen lassen.
Man läuft vorbei und kann nichts tun. Allenfalls froh sein, dass man nicht
selbst dort liegt. Und darauf hoffen, auch den morgigen Tag nicht bei ihnen
auf der Straße zu verbringen, sondern dort, wo es schön, sauber, warm und
behaglich ist. Unbegreiflich, dass es früher einmal Leute gab, die vorsätzlich
Barfüßler wurden, darauf aus, ein schlichtes Leben zu führen, sich mit dem
einfachen Volk gemeinzumachen. Wahrscheinlich hatten sie nie

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