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Schischkin, Michail

Schischkin, Michail

Titel: Schischkin, Michail Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Venushaar
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das
alles, mach schon!«
    Der
Dolmetsch übersetzte.
    Frau P.
errötete und sagte, das gehöre doch alles nicht zur Sache.
    »Verstehen
Sie, Herr Iwanow, ich will Ihnen helfen. Aber Sie wollen mir nicht zuhören.
Nun, es tut mir leid, aber in diesem Fall kann ich nichts für Sie tun. Möchten
Sie noch etwas zur Sache hinzufügen?«
    Der
Dolmetsch übersetzte.
    Der junge
Mann grinste schief und spuckte auf den Boden. Kratzte sich schon wieder durch
die Hosen.
    »Zur Sache?
Zur Sache kann ich gerne noch was sagen, jawohl. Dass ich dich in den Arsch
ficken möchte, Mausi. Ihr zwei habt doch bestimmt jede Nacht wen zum Poppen.
Ich kann mir alleine einen runterholen, das ist doch nicht gerecht. Ich bin
schließlich auch ein Mensch! Versteht ihr das? Welche will schon einen wie mich
haben. Kein Geld - keine Liebe. Wenn du an meiner Stelle säßest, Dolmetsch,
dich tat auch keiner gernhaben.«
    »Was? Was
hat er gesagt?«, fragte Frau P. ungeduldig nach. »Übersetzen Sie genau, was er
gesagt hat!«
    Der
Dolmetsch übersetzte, wobei er die Formulierungen abzumildern suchte. Obwohl
er sich Mühe gab, lief Frau P. rot an, ihr Gesicht wurde fleckig. Wortlos
drückte sie den Rufknopf für die Wache.
    »Hören wir
auf. Das hat keinen Sinn.«
    Der Dolmetsch
zuckte die Schultern. Die zwei Stunden bekam er so oder so bezahlt.
    »Auf
Wiedersehen! Alles Gute!«, verabschiedete sich Frau P. hölzern von ihrem
Mandanten.
    Doch es
verging noch eine Minute, die sie in gespanntem Schweigen dasaßen. In dem
winzigen Kämmerlein war kaum noch Sauerstoff zum Atmen. Dreist wanderten die
Augen des jungen Mannes an der jungen Frau auf und ab, dabei fuhr er fort, sich
durch die Hose zu kratzen. Dem Dolmetsch zwinkerte er zu und nickte in ihre
Richtung: Schmeiß dich ran!
    Endlich
wurde die Tür geöffnet. Der Dolmetsch trat hinter Frau P. hinaus auf den
Korridor.
    »Sag ihr,
sie sieht aus wie meine Schwester!«, rief der junge Mann ihm nach.
    Sie kamen
hinaus auf den Helvetiaplatz. Atmeten tief die frische, frostige Luft. Das
Gesicht von Frau P. war immer noch von roten Flecken überzogen. Verlegen
lächelte sie dem Dolmetsch zu. Er lächelte zurück.
    »Auch das
kann vorkommen«, sagte er. »Achten Sie nicht darauf. Gehen Sie auf die Hochzeit
Ihres Bruders und genießen Sie es!«
    Frau P.
seufzte.
    »Nach so
was ist es schwer, etwas zu genießen. Zuerst muss man wieder ein bisschen die
innere Ruhe finden.«
    »Sicher«,
sagte der Dolmetsch. »Man muss abschalten lernen. Gut wäre jetzt ein kleiner
Spaziergang, den Kopf auszulüften, dann geht es vorbei.«
    Sie
standen vor dem Gefängnisgebäude. Der Dolmetsch sah, wie sie nervös immer
wieder ihr Haar hinter das Ohr legte. Eine Straßenbahn ratterte vorüber.
    »Meine
Mutter war auch Lehrerin und ist jetzt pensioniert. Trotz allem ist die Welt
ungerecht«, sagte Frau P.
    Der
Dolmetsch verspürte den Wunsch, sie zu beschwichtigen, ihr etwas Nettes zu
sagen, ihm fiel nichts ein.
    Sie
reichte ihm zum Abschied die Hand.
    »Auf
Wiedersehen! Und einen schönen Tag!«
    Der
Dolmetsch behielt ihre Hand noch in der seinen.
    »Wissen
Sie was, nehmen Sie das Ganze auf die leichte Schulter. Das gibt es gar nicht,
dass es allen Lehrerinnen gut ginge. Man kann sich auch nicht Sorgen machen
wegen aller Lehrerinnen, denen die Pension nicht zum Leben reicht.«
    Und auf
einmal, als hätte auch er lange an sich halten müssen, und nun wäre die
Gelegenheit auszupacken, brach es aus ihm hervor: »Wenn es Ihnen und Ihrer
Mutter gut geht, so freuen Sie sich doch! Wenn irgendwo Krieg ist, dann sollte
man umso mehr leben und sich freuen, dass man selbst nicht dort ist. Und wenn
jemand geliebt wird, dann wird es auch immer einen anderen geben, den niemand
liebt. Und wenn die Welt ungerecht ist, so soll man trotzdem leben und sich
freuen, dass man nicht in einer stinkigen Zelle sitzt, sondern auf eine
Hochzeit geht. Sich freuen! Genießen!«
    Die junge
Frau schaute den Dolmetsch ein bisschen seltsam an. Wahrscheinlich glaubte sie
ihm nicht.
    Und der
Dolmetsch glaubte sich selber auch nicht sehr.
     
    Frage: Wer da?
    Antwort: Da fällt
mir ein altes Gleichnis ein. Kommt ein müder Wanderer des Wegs: Passform für
die Liebe, Thermos fürs Blut, Fußgänger für die Textaufgabe, Schicksal für die
Ameise, Schatten für den Weg... du verstehst. Sieht am Wegesrand ein Hüttchen
stehen wie das von Pfeifer von den Drei kleinen Schweinchen - Rohrschilf,
Haselzweige und so weiter. Baumknorren im Wasser wie Handlinien: Du,

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