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Schischkin, Michail

Schischkin, Michail

Titel: Schischkin, Michail Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Venushaar
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schließlich erhaschte er, damals noch Kind, einen
Blick durch den Spalt der Badtür und sah, dass der Onkel zwei Paar Brustwarzen
hatte. Die oberen beiden sahen aus wie weibliche Brüste (er war ziemlich dick),
darunter gab es noch zwei ganz kleine. Von der Terrasse aus kann man die Sonne
untergehen sehen. Einmal schwamm eine große schwarze Wolke davor und ließ einen
einzigen Strahl hindurch, der wie ein Ruder aussah. Das Haus hat er der Witwe eines
Moskauer Tierarztes abgekauft, der sich nach Erreichen des Rentenalters am Meer
niedergelassen hatte, die unteren Zimmer vermietete und den Urlaubern
abendelang aufzählen konnte, was er in seinem Leben für Tiere zu verarzten
gehabt - nämlich vor dem Krieg erst ausnahmslos Pferde und später auch
Schweine, welche von Kantinen und Gaststätten zur Mast gehalten wurden, sowie
Kaninchen. Im Krieg wieder nur Pferde. Nach dem Krieg Ferkel, Kühe, Ziegen und
Hühner. Selbst am Arbat wurden Tiere gehalten und in der Gorkistraße - auf
Höfen, Dachböden, in Badewannen. Während der großen Tollwut 1952/53 waren es
Hunde. Zu den Weltjugendfestspielen 1957 Tauben, Schwäne und Enten von den
Teichen. Dann zunehmend Hunde und Katzen. Beim Zeitunglesen delektierte sich
der alte Veterinär vornehmlich an Katastrophenmeldungen, so wie Alexander Blok
einst am Untergang der Titanic - als
Beweis, dass der Ozean noch existierte. Und von alledem will keiner mehr etwas
wissen: weder von dem Tierarzt, der schon im Jahr der Moskauer Olympiade starb,
noch vom Fotografen selbst, wie er mit seinem gelben Krokodil unterm Arm den
Strand langspaziert, noch von seinem Sohn, dem Mathematiker, der sich in ein
Mädchen aus gutem Hause verliebte, eine Studentin vom Physikalisch-Technischen
Institut, überaus klug, nur leider taub. Flüstert er ihr seine Liebe ins Ohr,
fragt sie nur: Was? Als sie ihren ersten Hörapparat bekam, sagte ihr der
Doktor, wenn sie sich die Haare wachsen ließe, wäre das Gerät gar nicht zu
sehen. All das kann man vergessen. Zumal dann der Krieg kam und das Haus
abbrannte und der Fotograf und alle anderen schon tot sind oder noch sterben
werden. Wozu von ihnen erzählen? Man hätte diesen Fotografen von vornherein
weglassen sollen mitsamt seinem Strand, der noch wie eingerollt dalag am frühen
Morgen und so still, dass man von den Bergen herab irgendwelche unverständlichen
Rufe hören konnte, etwas wie: Thalatta! Thalatta! Solchen wie ihm (für zwei
flotte Nadelstiche von der einen Seite auftauchend und dann wieder urplötzlich
von der anderen, wie an einem Möbiushimmel) hat man es zu verdanken, dass die
Welt sich ins Unendliche verzweigt, wie Kraut und Rüben aus dem Vorjahrsschnee
herauswächst, den Überfall der Räuber immer weiter vor sich herschiebend. Die
kommen deshalb in dem prophetischen Traum auch gar nirgends vor. Und dabei
lohnt es, ehrlich gesagt, nicht mal, die prophetischen Träume zu Ende zu
gucken. Wichtig ist, wenn man prophetisch träumt, dass man rechtzeitig
aufwacht. Damit weiter nichts passiert. Am besten, man wacht zur Handschuhhochzeit
auf. Chloe bricht sich den Absatz - ein schlechtes Omen - und weint die ganze
Zeit, während der Priester vor dem Analogion von ihr verlangen wird, zu
frohlocken wie Rebecca. Der Chor stimmt einen Psalm von David an: Und sehest
deiner Kinder Kinder! Friede über Israel! Während Daphnis, ganz verschwitzt in
dem neuen, unbequemen Anzug, mit einem unangenehmen Kribbeln in den
wachsbetröpfelten Fingern, denkt: Was hat das hier mit Israel zu tun? Und dann
kommt der Raubüberfall.
    Frage: Als Kyros
mit Not und Mühe wieder zu sich kommt, versuchen einige wenige Eunuchen, die
gerade zur Stelle sind, ihn auf ein anderes Pferd zu setzen und in Sicherheit
zu bringen. Da er jedoch dafür zu schwach ist und lieber zu Fuß gehen will,
fassen sie ihn unter den Armen und führen ihn, der noch immer halb ohnmächtig
ist und taumelt, aber Sieger zu sein glaubt, da er hört, wie die Fliehenden
König Kyros! rufen und um Schonung bitten. Währenddessen mischen sich einige
Leute aus Kaunos, armseliges, kümmerliches Volk, das sich zu niedrigen
Dienstleistungen dem Heer des Königs angeschlossen hat, unter die Begleiter des
Kyros in dem Glauben, es seien Freunde; sowie sie aber die roten Röcke über den
Panzern sehen - alle königlichen Truppen tragen weiße -, erkennen sie sie als
Feinde. Da traut sich einer von ihnen, von hinten seinen Speer auf Kyros zu
schleudern. Die Ader in der Kniekehle wird zerrissen, Kyros stürzt, schlägt

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