Schismatrix
willst du damit sagen? Und wer bist du überhaupt?«
»Lindsay.«
»Lin Dze? Du hast doch gar kein asiatisches Genmaterial.«
Lindsay blickte in die Kameralinse und stellte festen Augenkontakt mit der Frau her. Dieser Eindruck war über Video nur schwer zu simulieren, aber da es so unerwartet geschah, wirkte es auf der Stufe des Unbewußten sehr stark. »Und wie ist dein Name?«
»Cory Prager«, schnaubte sie. » Doktor Prager.«
»Cory, ich vertrete Kabuki Intrasolar. Wir sind ein kommerzieller Theaterbetrieb.« Lindsay log hinreißend weiter. »Ich stelle eine Produktion auf die Beine, und dafür suche ich Mitwirkende. Die Gagen sind großzügig. Aber da ihr ja, wie du sagst, nicht rauskommen könnt, verschwende ich hier nur meine Zeit, um's mal ganz ehrlich zu sagen. Ihr werdet ja nicht einmal zur Vorstellung kommen können.« Er seufzte. »Aber das ist eindeutig nicht meine Schuld. Dafür bin ich nicht verantwortlich.«
Die Frau lachte unangenehm. Doch Lindsay hatte ihre Kinesik im Griff, und er erkannte genau, wie unsicher sie war. »Meinst du, es kümmert uns im geringsten, was sie da draußen tun? Wir haben hier ein schönes abgekapseltes Marktmonopol. Alles, was uns interessiert, sind die Credits der Käufer. Alles übrige ist bedeutungslos.«
»Es freut mich, daß du das sagst. Ich wünschte, andere Gruppen würden diese eure Einstellung teilen. Ich, ich bin Künstler, kein Politiker. Ich wollte, ich könnte Komplikationen ebenso leicht vermeiden wie ihr.« Er breitete die Arme aus. »Und da wir uns jetzt ausgesprochen haben und verstehen, werde ich mich wieder auf den Weg begeben.«
»Warte! Was sind das für Komplikationen?«
»Also, ich bin ja nicht daran schuld.« Lindsay hielt sie hin. »Es sind die anderen Gruppen. Ich habe noch nicht mal die Besetzung zusammen, und schon fangen sie an zu intrigieren. Das Stück bietet ihnen die Möglichkeit, Druck hinter die Verhandlungen zu setzen.«
»Wir können unsere Monitors losschicken und uns über sie deine Vorstellung ansehen.«
»Oh, ich bedaure«, sagte Lindsay förmlich. »Wir vergeben keine Aufzeichnungs- oder Senderechte für unsere Vorstellungen. Damit würden wir uns unser Publikum verderben.« Er klang wahrhaftig betrübt. »Aber ich darf es nicht riskieren, meine Truppe zu enttäuschen. Heutzutage kann ja jeder Schauspieler sein. Mit Gedächtnispillen ist das ganz leicht.«
»Wir verkaufen Gedächtnisdrogen«, sagte die Frau. »Vasopressine, Carbolica, Endorphine. Stimulantia, Tranquilizer, Lacher, Kreischer, Brüller, was du haben willst. Wenn es für was einen Markt gibt, die schwarzen Chemiker von Nephrine können es herstellen. Wenn wir es nicht synthetisieren können, extrahieren wir es gefiltert aus Körpergewebe. Alles, was man will. Alles, was man sich nur vorstellen kann.« Sie senkte die Stimme. »Wir sind Freunde von denen, du weißt schon. Denen jenseits der Mauer. Sie schätzen uns enorm.«
Lindsay ließ die Augen kreisen. »Natürlich.«
Sie wandte den Blick aus dem Kamerafeld; er hörte das hastige Rattern einer Tastatur. Sie blickte auf. »Du hast bereits mit den Huren gesprochen, stimmt's? Mit der Geisha Bank.«
Lindsay demonstrierte vorsichtige Zurückhaltung. Die Geisha Bank war ihm neu. »Es ist sicher besser, wenn ich über meine Verhandlungen Stillschweigen wahre.«
»Wenn du ihren Versprechungen glaubst, dann bist du ein Idiot.«
Lindsay lächelte verlegen. »Was bleibt mir denn für eine Wahl? Es besteht doch eine natürliche Verwandtschaft zwischen Bett- und Bühnenkünstlern.«
»Die müssen dich vor uns gewarnt haben.« Die Frau drückte sich den einen Kopfhörer ans linke Ohr und lauschte unkonzentriert.
»Ich hab dir doch gesagt, daß ich mich bemühe, fair zu bleiben«, sagte Lindsay. Abrupt fiel der Ton am Schirm aus, und die Frau redete hastig in ein Stecknadelmikrofon. Ihr Gesicht kippte weg, und an die Stelle trat das runzelnverätzte Gesicht eines älteren Mannes. Lindsay erhaschte kurz, wie der Mann wirklich aussah - weiße Haare, wirr und stachelig durcheinandergezaust, gerötete Augenlider - ehe ein Video-Trimmprogramm sich überlagerte. Das Programm schoß den Schirm jeweils eine SCANzeile höher und glättete, unterdrückte und färbte so auf subtile Weise das Bild.
»Hört mal, das hat gar keinen Zweck«, brabbelte Lindsay los. »Versucht erst gar nicht, mich zu was zu überreden, das mir hinterher leid tut. Ich muß 'ne Show auf die Beine stellen. Ich hab keine Zeit für solche
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