Schismatrix
langer weißer Hosen hervor. »Vasopressin«, sagte er.
»Vasopressin«, murmelte Ryumin nachdenklich. »Und ich hatte das Gefühl, du siehst eher nach einem Shaper aus. Woher kommst du, Mr. Dze? Und wie alt bist du?«
»Drei Stunden«, antwortete Lindsay. »Mr. Dze hat keine Vergangenheit.«
Ryumin wandte den Blick ab. »Ich kann es einem Shaper nicht verübeln, wenn er sich bemüht, seine Vergangenheit geheimzuhalten. Das System ist überfüllt von euren Feinden.« Er blickte Lindsay prüfend an. »Aber ich errate, daß du ein Diplomat warst.«
»Wie kommst du denn darauf?«
»Dein Erfolg bei den Black Medicals. Dein Talent ist beeindruckend. Außerdem werden aus Diplomaten oft Sundogs.« Ryumin betrachtete ihn weiter prüfend. »Das Ring Council hatte da einmal ein geheimes Trainingsprogramm für Diplomaten von einem ganz besonderen Typ. Die Versagerquote war sehr hoch dabei. Die Hälfte der Zöglinge wurden Rebellen und Abtrünnige.«
Lindsay zog den Verschluß seines Hemdes zu,
»Ist es auch dir so ergangen?«
»Ja, so in der Richtung.«
»Wie faszinierend. Ich bin im Laufe meiner Jahre vielen posthumanen Grenzfällen begegnet, aber nie einem von euch. Trifft es zu, daß sie euch einen ganzen umfassenden zweiten Bewusstseinszustand inokulieren? Stimmt es, daß ihr bei voller Operationshöchstform selber nicht mehr wißt, ob ihr die Wahrheit sagt oder lügt? Daß sie mit Psychodrogen gearbeitet haben, um die Fähigkeit zur Aufrichtigkeit und Ehrlichkeit in euch zu zerstören?«
»Aufrichtigkeit, Ehrlichkeit«, sagte Lindsay. »Ein ziemlich ungreifbares Begriffsfeld.«
Ryumin zögerte. »Ist dir bewußt, daß man deiner Gattung ShaperMörder auf die Spur setzt?«
»Nein«, sagte Lindsay bitter. Dahin ist es also gekommen, dachte er. Diese ganzen Jahre, während die Skorpione an seinem Rückenmark ihm Wissen in jede Nervenfaser ätzten. Die Indoktrination, die Gehirnwäsche, unter Drogen und Tropfs ins Gehirn. Er war in die Republic gegangen, als er sechzehn war, und zehn Jahre lang hatten die Psychotechs ihn mit Training überschwemmt. Zurückgekehrt war er als eine Art hochexplosiver Bombe, die für jedes Ziel verwendet werden konnte. Doch seine Fähigkeiten lösten bei den dort Herrschenden panische Furcht und tiefsten Argwohn aus. Und nun machten sogar die Shapers selbst Jagd auf ihn. »Danke, daß du es mir gesagt hast«, sagte er.
»Aber ich würde mir da keine Sorgen machen«, sagte Ryumin. »Die Shapers sitzen in der Klemme und haben gewaltigere Sorgen, als sich um das Schicksal von ein paar Sundogs zu kümmern.« Er lächelte. »Aber wenn du tatsächlich diese Behandlung durchgemacht hast, dann müßtest du jünger als vierzig Jahre sein.«
»Ich bin dreißig. Du bist ein vorsichtiger, ein gerissener alter Hund, Ryumin.«
Ryumin holte Lindsays gut durchgebratene Schuhe aus der Mikrowelle, betrachtete sie und schob sie sich dann über die nackten Füße. »Wie viele Sprachen sprichst du?«
»Vier, normalerweise. Mit Gedächtnisstimulation bringe ich es auf sieben. Und ich beherrsche die standardisierte Programmiersprache der Shapers.«
»Ich kann auch vier Sprachen«, sagte Ryumin. »Aber schließlich belaste ich mein Hirn ja nicht mit ihrer schriftlichen Form.«
»Da liest überhaupt nicht?«
»Brauch ich nicht. Das können meine Maschinen für mich erledigen.«
»Dann bist du gegenüber dem ganzen Kulturerbe der Menschheit wie ein Blinder.«
Ryumin blickte überrascht drein. »Merkwürdige Worte aus dem Mund eines Shapers. Du bist Altertumsforscher, was? Möchtest dich über das Interdikt gegen die Erde hinwegsetzen, die sogenannten Humaniora studieren, oder so? Das erklärt deinen Eröffnungszug mit dieser Theatergeschichte. Ich mußte in meinem Lexikon nachfragen, um herauszubekommen, was ›Schauspiel‹ einst bedeutete. Eine erstaunliche, eine seltsame Kultureinrichtung. Hast du wirklich die Absicht, das durchzuziehen?«
»Ja. Und die Schwarzmedicos werden die Sache für mich finanzieren.«
»Aha. Aber die Geisha Bank wird davon nicht begeistert sein. Darlehen und Finanzierungen sind deren Jagdgründe.«
Lindsay setzte sich neben ein Nest von Drähten und Leitungen auf den Fußboden. Er zupfte das Abzeichen der Black Medicals von seinem Kragen und drehte es in den Fingern her und hin. »Sag mir was über die.«
»Also, die Geishas sind Prostituierte und Finanzleute. Es ist dir sicher aufgefallen, daß deine Kreditkarte auf Stunden ausgestellt ist.«
»Ja.«
»Das sind
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