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Schismatrix

Schismatrix

Titel: Schismatrix Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruce Sterling
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zertrümmerten Glases eines der Fensterpaneele der Welt. Lindsay zog den Reißverschluß der Tuch-Luftschleuse auf und trat ins Innere.
    Die reine Innenluft löste einen Krampfhusten aus. Das Kugelzelt war klein, zehn Schritt Durchmesser. Ein Gewirr von Kabeln bedeckte den Boden, verband Stapel angeschlagener Videogeräte mit einer abgenutzten Speicherbatterie, die auf Keramikziegeln aufgebockt war. Eine zentrale von Drähten umkränzte Supportstange trug einen Luftfilter, eine Glühbirne und die Wurzeln eines Antennenkomplexes.
    Ryumin saß im Lotussitz auf einer Tatami-Matte, seine Hände ruhten auf einem tragbaren Joystick. »Darf ich mich erstmal um den Roboter kümmern«, sagte er. »Bin gleich für dich bereit.«
    Ryumins breites Gesicht hatte einen unbestimmt asiatischen Schnitt, doch die schütteren Haare waren blond. Die Wangenhaut war voller Altersflecken. Die Fingerknöchel zeigten die starke Fältelung, wie sie bei sehr alten Menschen verbreitet ist. Mit seinen Knochen stimmte etwas nicht. Die Handgelenke waren für den untersetzten Leib zu dünn, und der Schädel wirkte merkwürdig zart. An den Schläfen klebten zwei Adhäsivscheiben, von denen dünne Schnüre über seinen Rücken hinabhingen, die sich in dem Gewirr von Drähten auf dem Boden verloren.
    Ryumins Augen waren geschlossen. Er griff blind zu und tippte auf einen Schalter neben seinem Knie. Er zog sich die Scheiben von den Schläfen und öffnete die Augen. Die Augen waren leuchtend blau.
    »Ist es hier drin hell genug?« fragte er.
    Lindsay warf einen Blick zu der Glühbirne droben. »Ich finde, ja.«
    Ryumin pochte sich gegen die Schläfen. »Chip-Implantate an den Sehnerven«, sagte er. »Ich bin etwas anfällig für Videobrand. Es fällt mir schwer, etwas zu erkennen, das nicht in Scanlinien erscheint.«
    »Du bist ein Mechanist.«
    »Ach, sieht man das?« fragte Ryumin ironisch.
    »Wie alt bist du?«
    »Hundertvierzig. Nein, hundertzweiundvierzig.« Er lächelte. »Aber du brauchst nicht zu erschrecken.«
    »Ich habe keine Vorurteile«, log Lindsay. Er fühlte sich verwirrt, und damit sickerte seine Trainingspotenz aus ihm weg. Er erinnerte sich an den Ring Council und die verhaßten langen Sitzungen der antimechanistischen Indoktrination. Die Erinnerung an die frühere Auflehnung brachte ihn wieder zu sich.
    Er stieg über ein Gewirr von Leitungen und setzte seine Diplomatentasche neben einen in Plastik verpackten Würfel von Syntheto-Tofu {2} . »Bitte versteh mich recht, Mr. Ryumin. Sollte es hier um Erpressung gehen, so hast du mich mißverstanden. Ich werde nicht mitmachen. Wenn du mir was antun willst, dann nur los. Dann bring mich gleich um.«
    »So was würde ich lieber nicht allzu laut sagen«, warnte Ryumin. »Die Spähflieger können dich da, wo du grad stehst, niederbrennen, direkt durch die Zeltwand hindurch.«
    Lindsay zuckte zusammen.
    Ryumin grinste ungerührt. »Ich hab das schon mal erlebt. Außerdem, wenn wir einander schon ermorden sollen, dann müßtest schon du mich umbringen. Ich laufe hier das größere Risiko, da ich etwas zu verlieren habe. Du dagegen bist nur ein schnellzüngiger Sundog.« Er wickelte die Schnur seines Joysticks auf. »Aber wir könnten einander hier die Ohren mit Versicherungen vollbrabbeln, bis die Sonne schwillt, und uns gegenseitig dennoch nie überzeugen. Entweder wir vertrauen einander - oder eben nicht.«
    »Ich werde dir vertrauen«, sagte Lindsay fest. Er schob die dreckverschmierten Schuhe von den Füßen.
    Ryumin erhob sich langsam. Dann bückte er sich nach Lindsays Schuhen, und sein Rückgrat krachte laut. »Ich stecke die mal lieber unter die Mikrowelle«, sagte er. »Wenn man hier lebt, darf man sich nie mit dem Dreck einlassen.«
    »Ich will daran denken«, sagte Lindsay. Sein Gehirn war überflutet von mnemonischen Chemikalien. Die Drogen hatten ihn in eine Art Epiphanietaumel {3} versetzt, in dem ihm jeder verknotete Draht und jeder Stapel von Bändern von lebenswichtiger Bedeutung erschien. »Ach, verbrenn sie, wenn du magst«, sagte er. Er klappte seine neue Tasche auf und zog eine elegante cremefarbene Medicojacke hervor.
    »Das sind aber gute Schuhe«, sagte Ryumin. »Sie sind mindestens drei, vier Minuten wert.«
    Lindsay streifte seinen Coverall ab. An seiner rechten Hinterbacke zeichneten sich zwei zerfließende Injektionsflecken ab.
    Ryumin kniff die Augen zusammen. »Wie ich sehe, bist du also nicht unversehrt davongekommen.«
    Lindsay holte ein Paar zerknautschter

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