Schismatrix
...«
»Halt den Rand, du!« sagte der Mann. Die stählerne Schachttür glitt auf und gab ein gefaltetes Päckchen in durchsichtigem Vinyl preis. »Zieh das an!« befahl der Mann. »Dann kommst du herein.«
Lindsay entfaltete das Bündel und schüttelte es aus. Es handelte sich um einen den ganzen Körper bedeckenden Entsorgungsanzug. »Nun mach schon etwas rascher«, drängte der SchwarzMedic. »Vielleicht stehst du unter Beobachtung.«
»Darauf wäre ich nie gekommen«, sagte Lindsay und stieg in die Stiefelhosen. »Das ist eine ziemliche Auszeichnung.« Er grub sich in das behandschuhte und helmbestückte Oberteil hinein und schloß das Taillenstück.
Knirschend schob sich die Luftschleusentür auf. »Geh da rein!« sagte der Mann. Lindsay trat hinein, und die Tür glitt hinter ihm zu.
Wind brachte den Staub zum Wirbeln. Ein leiser klebriger Regen begann zu rieseln. Eine skeletthafte Roboterkamera schob sich auf ihren vier Röhrenbeinchen näher und richtete das Objektiv auf die Tür.
Eine Stunde verging. Der Rieselregen hörte auf, und oben kreisten stumm zwei Kontrollinstrumente. In dem aufgegebenen Industriegürtel im Norden braute sich ein heftiger Staubsturm zusammen und tobte los. Die Kamera beobachtete weiter.
Lindsay trat ein wenig schwankend aus der Schleuse. Er stellte seinen schwarzen Diplomatensack auf den Steinboden und kletterte aus dem Schutzanzug. Dann stopfte er den Coverall in die Tunnelöffnung und entfernte sich mit übertriebener Grazie über die Trittsteine.
Die Luft stank. Lindsay blieb stehen und nieste. »He«, sagte die Kamera. »Mr. Dze. Ich möchte gern ein Wort mit dir sprechen, Mr. Dze.«
»Wenn du eine Rolle in dem Stück willst, mußt du dich aber schon persönlich zeigen«, sagte Lindsay.
»Du erstaunst mich«, sagte die Kamera beiläufig. Sie benutzte Handelsjapanisch. »Ich muß deinen Mut bewundern, Mr. Dze. Diese SchwarzMedics genießen einen ausgesprochen üblen Ruf. Sie hätten dich wegen deiner Körperchemikalien ausschlachten können.«
Lindsay ging nach Norden, seine dünnen Schuhe quietschten im Modder. Die Kamera folgte ihm im Schlepp. Das linke Hinterbein quietschte.
Lindsay stieg einen niederen Hang zu einem Obstgarten hinab, in dem die dicht von schwarzem Ruß bedeckten, umgestürzten Bäume eine Art ungeordneten Skelettdickichts bildeten. Unterhalb davon lag ein schaumbedeckter brackiger Teich, an dessen Ufer ein zerfallenes Teehaus stand. Der einstmals elegante Holz- und Keramikbau war zu einem vermoderten Haufen zusammengesunken. Lindsay stieß mit dem Fuß gegen einen der Balken und bekam von der Sporenexplosion prompt einen Hustenanfall. »Das Zeug sollte mal jemand aufräumen«, sagte er.
»Und wohin sollten sie es tun?« fragte die Kamera.
Lindsay blickte sich rasch um. Die Bäume schützten ihn vor Beobachtung. Er starrte die Maschine an. »Deine Kamera hat 'ne Überholung nötig«, sagte er.
»Es war das Beste, was ich mir leisten konnte«, sagte die Kamera.
Lindsay ließ seinen schwarzen Sack vor und zurück schaukeln. Er kniff die Augen zusammen. »Sieht ziemlich langsam und rachitisch aus.«
Der Roboter trat vorsichtshalber einen Schritt zurück. »Hast du eine Unterkunft, Mr. Dze?«
Lindsay rieb sich am Kinn. »Bietest du mir eine an?«
»Du solltest nicht im Freien bleiben. Du hast ja nicht einmal eine Schutzmaske auf.«
Lindsay lächelte. »Den Medicals hab ich erzählt, ich bin von höchstmodernen Antiseptika geschützt. Das hat sie stark beeindruckt.«
»Bestimmt. Hier atmet niemand ungefilterte Luft. Außer natürlich, man möchte Lungen haben, die am Ende so aussehen wie das Baumzeug da.« Die Kamera zögerte. »Ich heiße Fyodor Ryumin.«
»Ich bin erfreut, deine Bekanntschaft zu machen«, sagte Lindsay auf russisch. Durch den Anzug hatten sie ihm eine Vasopressininjektion verpaßt, und sein Hirn kam ihm unglaublich geschärft vor. Er kam sich dermaßen unerträglich intellektuell heiß vor, daß er an den Kanten schon ein wenig knusprig wurde. Der Wechsel vom Japanischen zu seinem wenigbenutzten Russisch fiel ihm so leicht wie ein Bandwechsel.
»Wieder erstaunst du mich«, sprach die Kamera russisch. »Du kitzelst meine Neugier. Du verstehst den Terminus ›kitzeln‹? Er ist auf handelsrussisch nicht üblich. Bitte folge dem Roboter. Ich lebe nicht weit weg. Versuche möglichst flach zu atmen.«
Ryumins Behausung war eine kleine aufgepumpte Kuppel aus graugrünem Plastikmaterial und stand in der Nähe des schmierigen
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