Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schismatrix

Schismatrix

Titel: Schismatrix Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruce Sterling
Vom Netzwerk:
Geschichte studiert. Nicht die Version Julianos, sondern die bittere Wahrheit. Weißt du, was mit Gruppen geschieht, deren Neuerungsversuche fehlschlagen? Wenn sie Glück haben, verschickt man sie auf irgendeinen erbärmlichen elenden Außenposten. Wenn sie Pech haben, werden sie gehetzt, verhaftet, gegeneinander aufgestachelt ...«
    Die Wahrheit ihrer Worte traf ihn stechend. »Aber manche leben doch!«
    Das Mädchen lachte. »Du bist ungeplant, warum also solltest du dir um uns Sorgen machen? Für dich sind Stumpfsinn und Dummheit die Luft und das Leben.«
    »Du bist eine von der Gruppe Margaret Julianos«, sagte er. »Eine von den Superhellen.« Er starrte sie an. Er war noch nie zuvor einem Superhellen begegnet. Angeblich wurden sie sorgsam abgeschirmt und befanden sich beständig unter der Obhut der sie studierenden Wissenschaftler.
    »Margaret Juliano«, sagte die Frau. »Die aus deiner MitternachtsClique. Ja, sie hat an unserm Entwurf mitgearbeitet. Und sie ist eine Detentistin! Wenn der Frieden zusammenbricht, werden wir mit ihr zusammen untergehen! Sie stochern andauernd an uns herum, bespitzeln uns, suchen nach Schwachstellen ...« Die Augen in dem faltigen Gesicht funkelten wild. »Hast du dir schon einmal klargemacht, welches Potential in uns steckt? Für uns gibt es keine Richtlinien, keine Seele, keine Beschränkungen! Aber wir sind trotzdem in Dogmen eingezwängt, eingekerkert. Pseudokriege und törichte Loyalitätsbindungen. Der angesammelte aufgehäufte Müll und Schutt der Schismatrix . Andere suhlen sich wohlig darin, verstecken sich dort vor der absoluten Freiheit! Wir aber wollen die ganze Wahrheit, uneingeschränkt und bedingungslos. Wir schlingen unsre Wirklichkeit ungesüßt in uns hinein. Wir wollen, daß alle Augen für immer geöffnet sind und sehen ... und wenn dazu ein Umsturz nötig wird, schön, wir haben tausend, die bereit sind ...«
    »Nein, warte doch«, sagte Lindsay. Klar, das Mädchen war eine Superhelle; konnte kaum älter sein als dreißig. Und es bestürzte ihn, daß sie dermaßen fanatisch war, daß sie so entschlossen schien, die gleichen Fehler erneut zu begehen - die Fehler, die er und Vera begangen hatten. »Du bist zu jung für das Absolute. Um Himmels willen nur keine Reinheitstheatralik. Laßt euch erst einmal fünfzig Jahre Zeit. Hundert Jahre! Ihr habt doch soviel Zeit, wie ihr nur wollt!«
    »Wir denken nicht so, wie sie es von uns verlangen«, sagte die junge Frau. »Und darum werden sie uns umbringen. Aber erst, nachdem wir den Weltschädel aufgestemmt und unsere Nadeln hineinverpflanzt haben.«
    »Wartet!« sagte Lindsay. »Vielleicht ist der Frieden zum Scheitern verurteilt. Aber euch selbst, euch könntet ihr doch retten. Ihr seid gescheit. Ihr könnt...«
    »Das Leben ist ein Witz, Freund. Und der Tod ist die Pointe dabei.« Sie hob die Hand und war verschwunden.
    Lindsay blieb die Luft weg. »Was hast du...?« Er hielt mitten im Satz inne. Seine Stimme kam ihm merkwürdig vor. Die Akustik im Raum schien sich verändert zu haben. Aber die Maschinen gaben noch immer das gleiche leise Summen, die gleichen gedämpften Zirplaute von sich.
    Er trat an die Apparate. »Hallo, Mädchen, Kind? Laß uns doch darüber reden. Glaub mir, ich kann euch verstehen.« Ja, seine Stimme hatte sich verändert; sie hatte das leichte Altersröcheln verloren. Er griff mit der linken Hand an den Hals. Am Kinn fühlte er einen dichten frischen Bartwuchs. Schockiert, zerrte er daran ... es waren seine eigenen Haare.
    Er schwebte dicht an die Apparate heran, berührte einen von ihnen. Das Gerät begann unter seiner Hand zu rauschen. Wütend packte er den Apparat, der sofort unter seinem Zugriff zerbröselte und seine Innereien von dünner Plastik- und Zelluloseabdeckung preisgab. Dann stürzte Lindsay sich auf die nächste Maschine. Auch eine Attrappe. Im Kern der ganzen Anordnung befand sich ein Spielzeugrecorder für Kinder und summte und piepste brav vor sich hin. Er riß das Maschinchen mit der linken Hand heraus, und auf einmal spürte er diesen Arm bewußt: da war eine unmerklich lauernde Versteifung in der Muskulatur.
    Er riß sich Hemd und Jacke vom Leib. Sein Bauch war flach und nach innen gespannt; die Brustbehaarung, sonst sehr grau, war höchst sorgfältig epiliert. Wieder fuhr er sich über das Kinn. Nie in seinem Leben hatte er einen Bart getragen, aber dies hier fühlte sich zumindest wie ein zwei Wochen altes Gestrüpp an.
    Diese junge Frau - sie mußte ihn sofort bei

Weitere Kostenlose Bücher