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Schismatrix

Schismatrix

Titel: Schismatrix Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruce Sterling
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die Begegnung so lange wie möglich hinausgeschoben. Doch jetzt waren Antioxydantien und seine Spezialdiät nicht mehr ausreichend. Er war achtundsechzig Jahre alt.
    Die Demortalisationsklinik lag in einem der Außenbezirke Goldreich-Termaines, in einem Teil der anschwellenden Ballungszonen von aufblasbaren »Subbles«. Die durch Röhrenpassagen verbundenen »Bubbles«, die Ballonhabitate, konnten wie Pilze hervorschießen und über Nacht wieder verschwinden, sie bildeten also den perfekten Unterschlupf für Black Medicals und waren auch Enklaven für andere zweifelhafte Aktionisten.
    Mechanisten lauerten dort, auf der Jagd nach shaperischer Lebensverlängerung, ständig bemüht, der Polizei des »Räte-Staates« der Shaper zu entwischen. Angebot und Nachfrage hatten wie aus dem Nichts Korruption hervorgezaubert, je mehr GoldreichTremaine, vom Erfolg verführt, in Laschheit und Schlamperei versank. Die Capitale hatte sich übernommen, und Risse und Brüche im Wirtschaftssystem wurden mittels Schwarzgeld zugeklebt.
    Es war die Furcht, die Lindsay so weit getrieben hatte: die Furcht, daß alles auseinanderfallen könne und er dann schwach und hilflos dastehen werde.
    Ross hatte ihm Anonymität zugesichert. Er würde das Ganze im Eiltempo durchziehen, in allerhöchstens zwei Tagen Klinikaufenthalt.
    »Ich will keine großen Geschichten gemacht bekommen«, beschied Lindsay die alte Frau. »Nur einen schlichten Dekatabolismus.«
    »Hast du deine Genstrang-Unterlagen mitgebracht?«
    »Nein.«
    »Das kompliziert die Sache.« Die Schwarzmarkt-Demortalistin betrachtete ihn mit einem seltsam mädchenhaften Neigen des Kopfes. »Die Genstrukturen bestimmen, welche Nebenwirkungen auftreten. Ist es bei dir der natürliche Alterungsprozeß oder sind es Kumulativschäden?«
    »Es ist natürlich.«
    »Schön, dann können wir etwas weniger Feinabgestimmtes probieren. Hormonbehandlung und eine Desoxydationsspülung für Freie Radikale. Alles ganz schnell und dreckig. Aber dabei kriegst du deine Spritzigkeit zurück.«
    Lindsay dachte an Pongpianskul mit seiner ledrigen Haut. »Welche Therapie verwendest du denn selbst?«
    »Das unterliegt der Diskretionsklausel.«
    »Wie alt bist du?«
    Die Frau lächelte. »Du solltest nicht so rumbohren, Freund. Je weniger wir voneinander wissen, desto besser.«
    Lindsay bedachte sie mit einem »Ausdruck«. Sie fing ihn nicht ein. Er sichtsignalisierte erneut. Nein, sie beherrschte die Sprache nicht.
    Innerlich kribbelte er vor Unbehagen. »Ich kann das nicht mitmachen«, sagte er. »Es fällt mir zu schwer, euch zu trauen.« Lindsay schwebte auf den Blasenausgang zu, fort aus dem Zentrum der Schwerelosigkeit mit den klinischen Test- und Prüfapparaten.
    »Ist dir der Preis zu hoch, Dr. Abélard Mavrides?« rief die Frau laut.
    Sein Hirn raste, seine schlimmsten Befürchtungen hatten sich bewahrheitet. Er machte kehrt, entschlossen, der Frau glatt ins Gesicht zu lügen. »Da muß dir jemand eine Fehlinformation geliefert haben.«
    »Wir haben unsere eigenen Informationsdienste.«
    Er betrachtete eindringlich die Kinesik der Frau. Die Runzeln in ihrem Gesicht waren - kaum sichtbar - nicht richtig, sie paßten nicht zu der Muskelstruktur unter der Haut. »Du bist ja jung«, sagte er. »Du siehst nur alt aus.«
    »Nun, dann haben wir eben einen kleinen Betrug gemein. Was dich betrifft, so ist es nur einer unter vielen.«
    »Ross hat mir versichert, ihr seid verläßlich. Wieso wollt ihr eure Lage gefährden, indem ihr mich verärgert?«
    »Wir wollen die Wahrheit.«
    Er starrte sie an. »Wie hochfliegend und ehrgeizig. Versucht es mal mit der wissenschaftlichen Methode. Inzwischen aber, warum reden wir nicht vernünftig miteinander.«
    Die junge Frau strich mit einer Runzelhand ihren Klinikkittel glatt. »Stell dir einfach vor, ich wäre dein Publikum im Theater, Dr. Mavrides. Erzähl mir etwas über deine Ideologie.«
    »Ich hab keine.«
    »Wie steht es mit dem Investor-Frieden? Diese ganzen detentistischen Stücke, die du aufführst? Meinst du wirklich, du würdest das Schisma durch derlei Investoren-Schwindel heilen können?«
    »Du bist noch jünger, als ich gedacht hätte«, erwiderte Lindsay. »Wenn du mich etwas derartig Törichtes fragen kannst, dann hast du nie erlebt, was Krieg ist.«
    Sie funkelte ihn an. »Wir wurden im Frieden geboren und aufgezogen! Wir sind Kinder, denen man von der Wiege an gepredigt hat, daß Liebe und Vernunft den Krieg unmöglich machen würden! Aber wir haben die

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