Schismatrix
ausgesetzt.«
Sie streichelte seine Wange. »Lieber, ich werde sehr gut auf dich aufpassen. Ich werde dich beschützen. Kein lebendiges Wesen wird dir etwas antun, ohne mich vorher durchbohrt zu haben.«
»Das weiß ich, und ich bin darüber froh. Aber ich kann dieses seltsame Gefühl einfach nicht abschütteln. Hat das nur was mit Schuld zu tun? Mit einem Schuldgefühl deswegen, daß unser Leben so angenehm verläuft, bisher, daß wir uns lieben konnten, während die andern wie Ratten in dunklen Winkeln verrecken mußten?« Seine Stimme bebte. Er blickte starr auf das rotbraune Sieneser Gewebe der Bettdecke, das unter dem milden Lampenschein besonders hervortrat. »Wie lange kann sich dieser Frieden noch halten? Die Alten verachten uns, und die Jungen durchschauen uns. Es muß sich vieles ändern, aber wie könnte das zu einer Besserung führen? Für uns kann es nur schlimmer werden ... Liebste ...« Er blickte ihr fest in die Augen. »Ich erinnere mich gut an die Tage, als wir gar nichts hatten. Nicht einmal genug Luft, um zu atmen. Und die Fäulnis kroch von überall her auf uns zu. Alles, was wir seitdem errungen haben, war schierer Erfolg und Profit für uns, aber es war einfach nicht wirklich, es zählt nichts. Das, was zwischen dir und mir besteht, das ist wirklich. Nur das! Also - sag mir, daß du immer noch an meiner Seite stehen wirst, wenn das hier alles zusammenbricht... «
Sie ergriff seine Hände und legte die Hand mit gekrümmten stählernen Fingern über die ihre. »Was hat denn das alles ausgelöst? Ist es Constantine?«
»Vetterling möchte einen von Constantines Leuten als Clubmitglied in die Clique bringen.«
»Verbrennen möge er! Wußte ich es doch, daß dieser autokratische Tyrann da irgendwie die Finger drin hat! Er macht dir Angst, ist es so? Wühlt uralte Tragödien wieder auf ... Aaah, jetzt geht es mir besser, seit ich weiß, mit wem ich es zu tun habe!«
»Nein, Liebste, es ist nicht bloß er, was mich bedrückt. Hör mal zu: Goldreich-Tremaine kann einfach nicht ewig oben bleiben. Der Investoren-Frieden wird immer brüchiger; bald haben wir wieder den offnen Kampf zwischen Shaper und Mechanist. Die militärische Partei muß sich zwangsläufig wieder stabilisieren und zusammenraufen. Wir werden unsern Vorrang als Kapitalmetropole verlieren ... «
»Aber das ist doch reine Panikmache, Abélard. Bisher haben wir doch noch gar nichts verloren. Die Entspanner, die Detentistensofties, waren in G-T noch nie stärker, also, was soll das Ganze. Meine Diplomaten ...«
»Ich weiß, du bist stark. Und ich glaube auch, daß du siegen wirst. Aber wenn nicht, wenn wir sundoggen müssen ...«
»Uns verkriechen wie Sundogs? Liebling, wir sind doch keine miesen Emigranten oder Flüchtlinge! Wir sind Mavrides-Genetische, wir haben Ämter, Berufe, Besitz, Ansehen! Und die sind unser Bollwerk! Hier ist unsere Festung, und die können wir nicht einfach so preisgeben, nachdem wir dem Ort hier so viel verdanken ... Nach deiner Therapie wirst du dich ganz anders fühlen. Wenn du wieder jung bist, siehst du alles mit anderen Augen.«
»Das weiß ich«, sagte Lindsay. »Und gerade das jagt mir Angst ein!«
»Ach, ich lieb dich einfach, Abélard. Und jetzt versprich mir, daß du morgen gleich Ross anrufst.«
»Oh, das? Nein«, sagte Lindsay. »Es wäre ein arger Fehler, da zu großes Interesse zu zeigen.«
»Also, wann dann?«
»Ach, vielleicht in ein paar Jahren... Nach dem Maßstab von Ross ist das ein Garnichts ...«
»Aber, Abélard ... mir tut es weh, wenn ich sehe, wie das Alter an dir zu säbeln beginnt. Es ist ja schon schlimm genug, weit genug fortgeschritten ... Das ist einfach unvernünftig von dir ...« Tränen stiegen ihr in die Augen.
Lindsay war bestürzt, verwirrt und auch verängstigt. »Aber, Nora, wein doch nicht! Das ist doch gar nicht gut für dich!« Er legte ihr die Arme um den Leib.
Auch sie umarmte ihn. »Warum dürfen wir denn nicht behalten, was wir haben? Jetzt hast du bewirkt, daß ich an mir selber zweifle.«
»Ich bin ein Idiot«, sagte Lindsay. »Ich bin noch gut im Schuß, also besteht keine Notwendigkeit zu überstürzten Entschlüssen. Tut mir leid, daß ich dich mit dem ganzen Quatsch belästigt habe.«
Noras Augen waren mittlerweile wieder trocken. »Aber ich werde siegen. Wir werden siegen. Wir werden jung sein und stark, du und ich, wir beide zusammen. Warte nur, du wirst es schon sehen.«
GOLDREICH-TREMAINE COUNCIL STATE: 16-4-'53
Lindsay hatte
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