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Schismatrix

Schismatrix

Titel: Schismatrix Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruce Sterling
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auf ihn. Sie trug dunkle Trikots unter einer Jacke mit Pelzkragen. »Captain-Doktor?« fragte sie.
    Lindsay bremste sich mühsam ab, indem er die Zehen in den Teppich stemmte.
    »Die Tasche, bitteschön?« Lindsay reichte ihr seinen alten Diplomatensack, der prall gefüllt war mit Daten, die aus den Kosmosity-Akten geklaut waren. Sie ergriff ihn freundschaftlich am Arm und führte ihn an den Zollscannern vorbei durch eine Tür ohne Aufschrift. »Ich bin Polizeifrau Greta Beatty. Deine V-Frau.« Sie stiegen eine Treppe zu einem Büro hinab. Sie händigte die Tasche einer uniformierten Frau aus und nahm dafür ein gestempeltes Kuvert entgegen.
    Danach geleitete sie Lindsay in eine tiefere Etage der Duty-free-Passage. Dabei riß sie mit ihren lackierten Nägeln den Umschlag auf. »Hier sind deine neuen Papiere«, sagte sie. Sie reichte ihm eine Kreditkarte. »Du bist von jetzt an der Auditor Andrew Bela Milosz. Willkommen im Dembowska-Kartell.«
    »Danke, Polizeifrau.«
    »Greta genügt. Darf ich dich Andrew nennen?«
    »Ach, nenn mich lieber Bela«, sagte Lindsay. »Wer hat sich den Namen ausgedacht?«
    »Seine Eltern. Andrew Milosz verstarb vor kurzem, im BettinaKartell. Aber du suchst ihn vergeblich im Sterberegister; seine nächsten Angehörigen haben seine Identität an die Haremspolizei von Dembowska verkauft. Sämtliche Identifikationsmerkmale in seiner Akte wurden getilgt und durch die deinen ersetzt. Offiziell ist er von hier aus in die Emigration gegangen.« Sie lächelte. »Und ich bin beauftragt, dir den Übertritt zu erleichtern. Und dich bei guter Laune zu halten.«
    »Mir ist scheußlich kalt«, sagte Lindsay.
    »Da werden wir sofort Abhilfe schaffen.« Sie führte ihn vorbei an dem rauhreifbezogenen Glas in einen der Duty-free-Shops, einen Kleiderladen. Als sie wieder herauskamen, trug Lindsay neue Coveralls aus einem dichteren gesteppten Material mit eingesetzten vertikalen Puffen an den Hand- und Fußgelenken. Das geschmackvolle Kohlschwarz und Grau paßte gut zu seinen neuen pelzgefütterten Velcrostiefeln. An einem Clip der Brusttasche seiner bauschigen Flaumplastikjacke hing ein Paar Handschuhe. An einem sahnegelben Jackenaufschlag prangte ein Knopfmikrofon.
    »Jetzt deine Haare«, sagte Greta Beatty. Sie schleppte seinen neuen mit Reißverschluß versehenen Garderobesack. »Die sind in einem scheußlichen Zustand.«
    »Sie waren grau«, sagte Lindsay. »Die Wurzeln sind schwarz nachgewachsen. Also hab ich mir den Schädel geschoren. Seitdem hat sich keiner mehr damit befaßt.« Er blickte ihr fest ins Gesicht.
    »Du möchtest den Bart beibehalten?«
    »Ja.«
    »Wir erlauben alles, was dich glücklich macht.«
    Zehn Minuten nach der Behandlung seitens des Stylisten waren Lindsays Haare von Stirn und Schläfen in glitschig-glatten brillantineglänzenden Wellen zurück gebürstet, und der Bart war gestutzt.
    Lindsay hatte die Kinesis seiner Begleitung studiert. Ihre Bewegungen zeigten eine Gelassenheit und Ruhe, die im Widerspruch zu ihrer Jugend standen. Lindsay selbst war angespannt, hypersensitiv, doch Gretas geläufige geschmeidige Fröhlichkeit begann ihn durch eine Art kinetischer Ansteckung zu beeinflussen. Er merkte auf einmal, daß er unwillkürlich lächelte.
    »Schon ein bißchen Hunger?«
    »Doch, ja.«
    »Dann gehen wir ins Periskop. Du siehst gut aus, Bela. Mit der Schwerkraft hier wirst du bald keine Schwierigkeiten mehr haben. Bleib einfach in meiner Nähe.« Sie schlang den Arm in seine Prothese. »Mir gefällt dein antiker Arm.«
    »Also bleibst du bei mir?«
    »Solange es dir angenehm ist ...«
    »Aha. Verstehe. Und wenn ich möchte, daß du mich allein und in Ruhe läßt?«
    »Glaubst du im Ernst, das wäre günstiger für dich?«
    Lindsay erwog das. »Nein. Verzeih mir, Polizeifrau.« Er fühlte sich irritiert und war irgendwie verärgert, ohne genau zu wissen, weswegen. Seine neue Identität störte ihn. Noch nie vorher hatte man ihm so etwas aufgezwungen. Sein altes Basistraining drängte ihn, sich per Mimikry dem Lokalkolorit anzupassen, aber die langen Jahre seines Lebens hatten ihn etwas verkalken lassen.
    Greta eskortierte ihn über zwei Steigbügelstufenfluchten tiefer in den Asteroiden hinab. Boden und Wände waren aus schrundigem hochbetagten Metall mit frischen Velcro-Überzügen. Der Verkehr erfolgte in stetigen schwerfälligen Rucken vorwärts. Bürger, die es besonders eilig hatten, schwangen sich über ihren Köpfen an Deckenhalterungen vorwärts. Lindsay und seine

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