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Schismatrix

Schismatrix

Titel: Schismatrix Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruce Sterling
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Investor im Kindesalter gesehen; angeblich waren sie eine große Seltenheit. Doch kurz darauf konnte er deduzieren, jedenfalls was die Proportionen betraf, daß das Band ein erwachsenes Weibchen herausmodellierte. Das Band war nicht umfangreich genug, um die Frau in ganzer Größe zu replizieren, aber die Exaktheit des kniehohen Modells verblüffte ihn. Aus winzigen Bläschen auf dem Band reproduzierte sich die feste knubbelige Haut des Schädels und im Genick; die winzigen Äuglein, zwei farbige Knubbel, schienen von einem starken Ausdruck erfüllt zu sein.
    Lindsay spürte ein Frösteln. Denn er erkannte, wer dieses Individuum war. Und der Ausdruck des Geschöpfs verriet eine dumpfe tierhafte Qual.
    Das Band lieferte nur eine Imitation der investorischen Schiffskommandantin. Sie keuchte. Die faßdaubenrunden Rippen wogten. Sie hockte verkrümmt da, je eine Klauenhand über die hochgestemmten Knie gespreizt. Der Mund klaffte spastisch und ließ schlechtimitierte Stiftzähne und die ausgehöhlten papierdünnen Wandungen des Schädels des Modells erkennen.
    Der Kapitän des Schiffs war krank. Nie hatte jemand jemals einen Investor gesehen, der krank geworden wäre. Und weil dies dermaßen absonderlich war, dachte Lindsay, hat sich das wahrscheinlich im Gedächtniscode des Bandes festgehakt. Eine derartige Gelegenheit durfte man nicht verpassen. Eiskalt und langsam schnippte Lindsay seinen Coverall auf und legte das Videomonokel an seiner Kette frei. Er begann zu filmen.
    Der schuppige Bauch spannte sich, und am Ansatz des wuchtigen Schwanzes des Modells öffneten sich zwei randdicht aneinanderstoßende Bänder. Eine weißliche runde Masse, die von einem Feuchtigkeitsschimmer überzogen war, trat aus, ein festumwickeltes längliches Bänderbündel, ein Ei.
    Es war ein langwieriger und ein schmerzhafter Prozeß. Das Ei war lederartig; die Kontraktionen des Oviduktes preßten es zusammen. Endlich war es ausgetreten, allerdings noch immer mit dem gebärenden Körper des Bandes mittels eines durchsichtigen Schnürsenkels verknüpft. Die Imago des Investor-Kapitäns drehte sich herum, mühsam auf dem Boden scharrend, dann beugte sie das Gesicht und untersuchte das Ei mit krankhaft-hektischer Begeisterung. Langsam streckte sich die gewaltige Hand vor, fuhr schabend über das Ei, dann schnüffelte sie an den Fingern. Die Kammbänder an Kopf und Nacken füllten sich mit Blut und ragten steif nach oben. Die Arme bebten.
    Sie griff ihr Ei an. Wütend biß sie in das dünnere Ende, zersäbelte mit den schlecht imitierten Zähnen die Lederhaut. Gelbes Band zeigte ein quarkähnliches Eidotter.
    Sie fraß gierig, die Bänderarme waren dick von gelbem Modder bedeckt. Hinter ihrem Kopf ragte der Bänderkamm auf, steif vor wilder Wut. Die verdeckte Widerwärtigkeit ihres verbrecherischen Verhaltens ließ keine Fehlinterpretation zu; die Botschaft übersprang mühelos die Schranken zwischen unterschiedlichen Arten von Lebewesen verschiedener Genese. Genau wie Reichtum es tut.
    Lindsay steckte sein Monokel weg. Von der Bewegung angezogen, löste das Band den Kopf aus dem Gewirr und richtete ihn scharf auf. Lindsay fuchtelte mit den Armen darauf zu, und das Modell zerfiel zu einem Gewirr von Bändersträngen. Lindsay stand auf und begann sich in dem starken Schwerefeld schlurfend herumzuschieben. Das Ding beobachtete ihn - sich ringelnd und flackernd.
     
    DEMBOWSKA-KARTELL: 10-10-'53
     
    Lindsay rutschte auf seinen glatten Füßlingen über die Zugangsrampe. Nach dem grellen Licht an Bord des Sternenschiffs wirkte die Ankunftsschneise trübe, als läge sie unter Wasser. Benommenheit überkam ihn. Mit Schwerelosigkeit wäre er fertig geworden, aber die schwache Anziehung des Dembowska-Asteroiden verursachte ihm Magenkrämpfe.
    Die Halle wies kleine Grüppchen von Reisenden aus den anderen Mechanistenkartellen auf. Nie hatte er dermaßen viele Mechs an einem Ort gesehen, und ohne daß er dagegen hätte angehen können, erschreckte ihn dieser Anblick. Weiter vorn trieben Passagiere und Gepäck in die Fangschleusen und Scanner des Zolls. Dahinter ragten die Glasscheiben der Duty-free-shops Dembowskas auf.
    Plötzlich fuhr Lindsay fröstelnd zusammen. Noch nie war ihm dermaßen kalt gewesen. Durch seinen dünnen Coverall und das flexible Material seiner Füßlinge stach ein eisiger Luftzug. Sein Atem dampfte. Verwirrt und benommen strebte er auf den Zoll zu.
    Dicht davor wartete eine junge Frau, leicht auf einen gestiefelten Fuß gestützt,

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