Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schismatrix

Schismatrix

Titel: Schismatrix Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruce Sterling
Vom Netzwerk:
fluchtbereitem Argwohn.
    Pongpianskul trug einen Anzug, der dem Lindsays ziemlich ähnlich war, nur eben neuer und offenkundig handgenäht. Seit den Tagen in Goldreich-Tremaine waren ihm die Haare ausgegangen, und auf dem staubigen Kuppelschädel saßen trübe Lichtreflexe. Er schaufelte ein Bündel Berichte vom Tisch und heftete es mit dürren faltigen Fingern zusammen.
    »Papier, Papier«, murmelte er. »Wir versuchen heutzutage lieber alles aus den Computern rauszunehmen. Wir trauen denen nicht. Arbeitest du mit Computern, dann hockt da irgendwo immer ein Mech herum, der bloß darauf wartet, mit neuer Software reinzustoßen. Die scharfe Schneide von einem Keil, Mavrides. Äh, ich meine - Lindsay.«
    »Lindsay klingt besser.«
    »Aber du mußt zugeben, es ist ein bisserl schwierig, dich im Auge zu behalten. Das war ein sauberer Trick, den du da abgezogen hast, als du dich in den Ringen als Senior-Genträger rangeschmissen hast.« Er gab Lindsay den Blick . Lindsay erfaßte den Blick teilweise. Die Erfahrung seiner hohen Jahre machten teilweise den Verlust seiner Kinesik-Ausbildung wett.
    Pongpianskul fragte: »Wie lang ist denn das jetzt schon her, seit wir uns zuletzt unterhalten haben?«
    »Hmmm ... welches Jahr schreiben wir jetzt grad?«
    Pongpianskul runzelte die Stirn. »Ach, ist ja sowieso egal. Jedenfalls lebtest du damals auf Dembowska. Aber hier, unter der Neotenischen Führung, läuft es ja auch nicht schlecht, oder? Gib's zu, Mavrides. Was? Alles bisserl verschlampt und verkommen, was, aber das macht nichts, das fördert den Tourismus; diese Err-Ceh-Typen schlingen sowas löffelweise runter. Um dir die Wahrheit zu gestehen, also, wir haben sogar ein bisserl am alten Lindsay-Haus rumhantieren müssen, es ein wengerl zerdeppern müssen, damit es mehr romantischen Charakter bekommt. Wir haben auch extra ein paar Mäuse installiert. Weißt du noch, was das ist, eine Maus? Wir haben sie aus Laborspezimen zum Naturzustand rückgezüchtet. Hättest du gewußt, daß die in natura gar keine rosa Augen haben? Die hatten da so einen ganz komischen Ausdruck in den Augen. Hat mich irgendwie an eine von meinen Ehefrauen erinnert.«
    Pongpianskul riß eine Lade in seinem geräumigen höhlenhaften Arbeitstisch auf und warf die zusammengehefteten Papiere hinein. Gleichzeitig zerrte er einen zerbröselnden Packen von Grafikblättern hervor und wurde plötzlich sehr erregt. »Ja, was ist denn das? Das hätte ja doch schon vor Wochen erledigt sein müssen. Ach, ist sowieso nicht wichtig. Ah ja, wo waren wir doch gleich stehengeblieben? Ja, stimmt, die Eheweiber. Übrigens - ich hab deine Alexandrina geheiratet. Sie ist eine wunderbare Konservationistin, diese Alexa. Ich hab es einfach nicht zulassen dürfen, daß sie davonschlupft.«
    »Das hast du gut gemacht«, sagte Lindsay. Immerhin, sein Heiratsvertrag mit ihr war ja abgelaufen; und die neue Vermählung war ein vernünftiger politischer Schachzug. Es kam Lindsay gar nicht in den Sinn, etwa Eifersucht oder derlei zu fühlen; schließlich war so etwas nicht vertraglich festgelegt worden. Er freute sich nur, daß sie ihre Stellung abgesichert hatte.
    »Ein Mann kann nie genug Weiber haben. Eheliche, mein ich. Darum dreht sich doch das ganze Leben. Nimm bloß nur mal Georgiana. Constantines Erste. Die hab ich soweit beschwatzt, daß sie 'nen Hauch Shatter nahm, also wirklich nicht mehr als zwanzig Mikros, ich schwör es, und das hat ihre ganze Disposition unendlich verbessert. Inzwischen ist sie so süß und fad und lahm und sanft, wie der Tag lang ist.« Er schaute Lindsay ernst ins Gesicht. »Aber wir können natürlich auch nicht zu viele Uraltchen herumhängen haben. Das bringt Unruhe in die Ideologie. Ist sowieso schon schwierig genug mit diesen ekligen Kataklysmatikern und ihren posthumanen Wahnvorstellungen. Die halten wir zwar hinter Draht und in Quarantäne. Aber trotzdem schlüpfen unsre Kinder da immer wieder zu denen rein.«
    »Es ist aber doch sehr human von euch, daß ihr diese Leute überhaupt hier leben laßt.«
    »Ach, ich brauche eben die Fremdvaluta. Ce-Ka finanziert die Forschungsarbeit. Aber das wird nicht sehr weit tragen. Diese Superhellen können sich nicht auf lange Sicht auf eine Sache konzentrieren.« Er schnaubte durch die Nase. Dann packte er einen Frachtbrief. »Ich brauche das Geld. Da, schau dir mal diese Kohlendioxid-Importzahlen an ... Diese verdammten Bäume saufen das bloß so weg.« Er seufzte. »Aber ich brauche diese Bäume

Weitere Kostenlose Bücher