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Schismatrix

Schismatrix

Titel: Schismatrix Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruce Sterling
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selbstgesponnenen Netzwerken des Obskurantismus. Die äußeren Erscheinungsformen der Macht und die Realitäten der Macht waren behutsam voneinander gelöst worden. Die Sozialauguren und Trendsetter der Polycarbon Clique, der Lifesiders oder der Grünen Camarilla vermochten mittels einer beiläufigen Bemerkung oder einer hochgezogenen Augenbraue Wunder zu bewirken.
    Daraus folgte, daß Gruppen, die in den C.-K. überzulaufen gedachten, zunächst Konsultationen mit den Zikadencliquen pflegten, ehe sie formell um den Status als Asylanten ansuchten. Normalerweise war hier das Spielfeld Wellsprings.
    Beim jüngsten Fall allerdings war Wellspring wieder einmal wegen eines seiner zahlreichen Rekrutierungstrips unterwegs und nicht greifbar. Da Lindsay mit der Materie des Falls vertraut war, hatte er sich bereiterklärt, sich mit dem Repräsentanten der Überläufergruppe auf neutralem Gebiet in Dembowska zu treffen.
    Sein Gefolge setzte sich aus folgenden Personen zusammen: Gomez, sein Chefadjutant; drei seiner Doktorabsolventen; ein Diplomatischer Beobachter des Königinrates.
    Dembowska hatte sich verändert. Als sie im spärlichen Strom der Passagiere aus dem Linienschiff in den Einreise- und Zollbereich gelangten, fiel Lindsay zunächst die Wärme auf. Die Luft war blutwarm, und sie roch schwach wie Kitsunes Haut. Der Geruch brachte flüchtige Erinnerungen zurück. Lindsay lächelte, es war ein melancholisches Lächeln. Die Erinnerungen waren fünfundachtzig Jahre alt und papierdünn; als wären sie die eines ihm ganz fremden Mannes.
    Lindsays Lifesiders nahmen ihr Gepäck in Empfang. Zwei der Graduierten, Mechanotypen, murmelten »erste Eindrücke« in die Lippenmikros. Andere Passagiere mußten an den Scannerboxen warten.
    Zwei Dembowska-Agenten näherten sich Lindsays Gruppe. Er trat vor (die Schwerkraft war schwach) und fragte: »Harems-Polizei?«
    »Wandkinder«, sagte der Anführer des Teams, offensichtlich männlich. Er trug einen dünnen ärmellosen Kimono, die nackten Arme waren mit Autoritäts- und Rangtätowierungen bedeckt. Das Gesicht kam Lindsay bekannt vor, bis er die spezifische Genstruktur des Michael Carnassus ausmachte. Er wandte sich dem zweiten Agenten zu, einer Frau, und erblickte Kitsune, verjüngt, den Schädel kahlgeschoren, die dunklen Arme mit weißer Tusche graviert.
    »Ich bin Oberst Martin Dembowska, dies ist meine Wandschwester, Hauptmann Murasaki Dembowska.«
    »Ich bin Kanzler Lindsay. Die da sind Clique-Angehörige: Abélard Gomez, Jane Murray, Glen Szilard, Colin Szilard, Emma Meyer und Unterstaatssekretär Fidel Nakamura, unser Diplomatischer Beobachter.« Die Zikaden verneigten sich nacheinander.
    »Hoffentlich hat euch der Bakterienwechsel an Bord nicht zu schaffen gemacht«, sagte Murasaki. Es war die Stimme von Kitsune.
    »Eine geringfügige Unpäßlichkeit.«
    »Wir sind leider gezwungen, den Bakterienpopulationen auf der Haut unserer Wandmutter höchste Aufmerksamkeit zu widmen«, sagte der Oberst erklärend. »Es geht immerhin um ein beträchtliches Areal dabei. Ich bin sicher, ihr habt dafür Verständnis.«
    »Könntest du uns da exakte Zahlen nennen?« fragte einer der Szilardbrüder mit der trockenen Wißbegier des Mechanisten nach exakten Daten. »Die Berichte bei uns im Czarina-Kluster sind etwas nebulös.«
    »Gemäß dem jüngsten Report betrug die Masse der Wandmutter vierhunderttausendachthundertundzwölf Tonnen.« Der Oberst klang stolz. »Habt ihr irgend etwas Zollpflichtiges anzugeben? Nein? Dann folgt mir bitte.«
    Sie folgten dem Dembowskaner in ein Clearance-Büro für VIPs, wo sie ihre Gepäckstücke deponierten und wo man ihnen sterilisierte Gästekimonos aufzwang. Dann schwebten sie barfuß in die heiße Luft der ersten Arkaden-Galerie Dembowskas hinaus.
    Der höhlenartige Duty-free-Shopping-Bezirk hatte Böden, Wände und Decken aus Fleisch. Die Zikaden patschten nur zögernd voran, ihre Zehen berührten kaum die federnde Haut. Mit verhohlenem Verlangen blickten sie auf die Ladengeschäfte, diese Inseln der Sicherheit aus Stein und Metall. Lindsay hatte ihnen ein gutes Training angedeihen lassen, um ihren Takt zu garantieren, und nun war er stolz darauf, wie gut sie ihre Reaktionen zu maskieren verstanden.
    Aber auch er selbst empfand Unbehagen, als sie den ersten langen Tunnel betraten, dessen rundliche, kanalisationsröhrenhafte Ausformung einen Quell des urtiefen Unsicherheitsgefühls emporsteigen ließ. Die Gruppe bestieg sodann einen offenen

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