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Schismatrix

Schismatrix

Titel: Schismatrix Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruce Sterling
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Pupillen der Plastikaugen waren unterschiedlich groß; die Iriskontraktionen waren deutlich sichtbar, während er sich bemühte, scharf zu sehen. »Abélard? Wirklich du?«
    »Ja, Philip.« Der Roboter sank neben dem Liegestuhl nieder, und Lindsay machte es sich auf seinem weichen Breischädel bequem.
    »Na. Und wie war deine Reise?«
    »Ein altes Schiff«, sagte Lindsay. »Fast ein bißchen sowas wie ein fliegendes Altersheim. Sie machen ein Revival von Vetterlings The White Periapsis. «
    »Hmmm. Nicht grad sein bestes Werk.«
    »Du hattest immer einen guten Geschmack, Philip.«
    Constantine richtete sich in seinem Liegestuhl auf. »Soll ich mir einen Mantel bringen lassen? Ich habe schon mal angenehmer ausgesehen, ich weiß.«
    Lindsay spreizte die Hände. »Wenn du unter diesen Anzug blicken könntest... Ich habe in der letzten Zeit nicht mehr sehr viel für Verjüngungskuren ausgegeben. Nach meiner Rückkehr mache ich eine Totaltransformation. Für mich gibt's nur noch Europa, Philip. Die Meere.«
    »Aha. Du willst dich also aus den menschlichen Be schränktheiten heraussundoggen?«
    »Ja, so könnte man es nennen ... Ich habe die Pläne mitgebracht.« Lindsay fuhr in seine Innentasche und zog eine Broschüre hervor. »Ich hätte gern, daß du dir mit mir die Sache mal durchsiehst.«
    »Na schön. Wenn ich dir einen Gefallen damit tue.« Constantine nahm das Pamphlet entgegen.
    Die Innenseite zeigte das Bild eines »Engels«, und zwar das eines aquatischen, posthumanen. Die Haut war glatt, schwarz und geschmeidig. Beine und Becken waren verschwunden; das Rückgrat zu langen muskelbesetzten Schwanzwirbeln verlängert. Vom Hals hingen traubenförmige scharlachrote Kiemen. Der Brustkorb: eine schwarze durchbrochene Flechtkonstruktion, aus der weiße, federfaserige Netze, vollbepackt mit bakteriellen Symbionten hervorquollen.
    Die langen schwarzen Arme waren von phosphoreszierenden Flecken in roten, blauen und grünen Tupfern bedeckt, und direkt an das Zentralnervensystem angeschlossen. Entlang der Rippen und Schwanzwirbel zeichneten sich zwei lange laterale Streifen ab. Diese dicht mit Nerven bepackten Streifen beherbergten ein neues aquatisches Sinnesorgan, das in der Lage war, Bewegung, ja leisestes Zittern des Wassers zu fühlen, als wäre es eine Berührung aus der Ferne. Die Nase ging über in lungenähnliche Säcke, die prall voller chemosensitiver Zellen waren. Die lidlosen Augen waren riesig, der Schädel war umgebaut, um Platz für sie zu schaffen.
    Constantine schob die Broschüre vor den Augen hin und her, er mühte sich, klar zu sehen. »Sehr elegante Lösung«, sagte er schließlich. »Keine Eingeweide.«
    »Ja. Die weißen Netzgeflechte filtern Schwefel für die Bakterien. Jeder Engel ist autonom und bezieht Leben, Wärme, alles aus dem Wasser.«
    »Verstehe«, sagte Constantine. »Gemeinschaft kombiniert mit Anarchie ... Können sie sprechen?«
    Lindsay beugte sich vor und zeigte auf die Phosphoreszenzpunkte. »Sie glühen .«
    »Und haben sie eine Methode der Fortpflanzung?«
    »Es gibt Genlabors. Subaquatische. Kinder können geschaffen werden. Aber diese Geschöpfe können Jahrhunderte überdauern.«
    »Aber, Abélard? Wo bleibt die Sünde? Die Lüge, die Eifersucht, der Neid, der Kampf um die Macht?« Er lächelte. »Na, ich nehme doch an, sie sind in der Lage, im Rahmen des Ökosystems ein paar linke Sachen zu veranstalten.«
    »Es fehlt ihnen nicht an Einfallsreichtum, Philip. Ich bin sicher, sie würden sich Verbrechen ausdenken können, wenn sie sich ernsthaft genug anstrengten. Aber sie sind nicht, wie wir einmal waren. Nichts treibt oder zwingt sie dazu.«
    »Dazu zwingen ...« Eine Biene ließ sich auf Constantines Gesicht nieder. Er schob sie behutsam weg. Dann sagte er: »Ich hab mir die Einschlagstelle angeschaut, erst letzten Monat.« Er meinte den Platz, an dem Vera Kelland zu Tode gestürzt war. »Dort stehen jetzt Bäume, die aussehen wie vom Anfang der Welt.«
    »Das ist so lange her.«
    »Ich hab keine Ahnung, womit ich gerechnet hatte... Vielleicht hatte ich mir so eine Art goldene Aura erhofft, irgendein Leuchten, das den Ort bezeichnen würde, an dem mein Herz begraben liegt. Doch wir sind nur kleine Geschöpfe, und der Kosmos kümmert sich nicht um uns. Dort war nichts, gar nichts, was darauf hingedeutet hätte.« Er seufzte. »Ich wollte mich mit der Welt messen. Also tötete ich genau das, was mich vielleicht hätte halten können.«
    »Wir waren damals andere

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