Schismatrix
Lindsay.
»Wir hatten mit denen zu tun«, sagte der erste Pirat. »Wir haben allerdings nicht gewußt, daß sie hier sind.« Er seufzte. »Was für 'ne Scheiße. Meinst du, da sind noch mehr von denen drin?«
»Ausschließlich Tote«, behauptete Lindsay. »Die Flieger setzten Röntgen-Laser ein.«
»Echt wahr?« fragte der erste Pirat. »Mann, ich wollte, ich kriegte so'n Ding mal in die Finger!«
Lindsay machte eine Drehbewegung mit der linken Hand- eine Geste, die in der geheimen Zeichensprache der Agenten bedeutete, daß sie unter Observierung stünden. Der längere Pirat blickte hastig nach oben. Auf dem seiner Gesichtsmaske überlegten silbernen Totenschädel glitzerte das Sonnenlicht.
Dann schaute er wieder Lindsay an, aber seine Augen waren hinter silberplattierten leeren Augenhöhlen verborgen. »Und wo ist deine Schutzmaske, Bürger?«
»Hier«, sagte Lindsay und berührte seine Gesichtshaut.
»Aha. Ein Unterhändler, was? Suchst du 'nen Job, Bürger? Unser letzter Diplomat ist grad auf die Schnauze gefallen. Wie hältst du dich in der Schwerelosigkeit?«
»Vorsicht, Mr. President«, warnte die Piratin. »Denk an die Vertrauens-Hearings zurück!«
»Ach, überlaß doch diesen legalen Seitenquark mir«, sagte der »Präsident« ungeduldig. »Also, ich werde uns bekannt machen. Ich bin der Präsident der FMD, der Fortuna Miners' Democracy, und die da, die ist meine Frau, die Sprecherin des Abgeordnetenhauses.«
»Lin Dze, von Kabuki Intrasolar«, stellte Lindsay sich vor, »Theater-Impresario.«
»So was wie'n Diplomat, was?«
»Zuweilen, Euer Exzellenz.«
Der Präsident nickte. Die Parlamentsvorsitzende warnte: »Vertrau dem bloß nicht, Mister President!«
»Um die Beziehungen zu Fremdstaaten kümmert sich unser Außenministerium, also halt gefälligst deine Sabberklappe«, sagte der Präsident zähneknirschend. »Schön, hör zu, Bürger! Es war ein schwerer Tag. In diesem Moment müßten wir eigentlich in der Bank sein, uns schön nibbeln lassen, vielleicht 'ne Ladung Saft tanken, aber statt dessen kommen uns diese Faschisten mit ihrem Boden-Luft-Scheiß in die Quere, mit 'nem sogenannten Präventivschlag, vermagst du mir zu folgen? Also ist jetzt unser Luftschiff verbrannt, und wir haben unsern verdammten BumsRock-Brocken verloren.«
»Wie außerordentlich widerlich«, sagte Lindsay.
Der Präsident kratzte sich im Nacken. »Man kann in diesem Geschäft einfach nicht richtig vorausplanen. Aber man gewöhnt sich dran und lernt, die Scheiße zu nehmen, wie sie kommt.« Nach einigem Zögern: »Ach, verschwinden wir doch aus diesem widerlichen Gestank hier. Vielleicht gibt es ja drin was Brauchbares, das wir mitnehmen könnten.«
Die Parlamentssprecherin zog aus einem Holster an ihrem roten Webgurt eine kleine handgriffige Elektrosäge und begann damit die Hülle des Sundog-Domizils aufzuschneiden. Die Kalfaterdichtungsstellen zwischen den Plastikteilen zerfielen rasch und einfach zu Pulver. »Da mußte nämlich ganz überraschend reinfahren«, erklärte der Präsident, »wenn du die Absicht hast weiterzuleben. Geh nie, aber wirklich nie durch 'ne Luftschleuse des Feindes rein. Da weißt du nämlich nie, was die da drin haben.« Danach sprach er in ein Instrument an seinem Handgelenk. Dabei benutzte er einen geheimen Kampf-Code-Jargon; Lindsay war außerstande, den Worten zu folgen.
Gemeinsam traten die zwei Piraten die Wandung los und stiegen ins Innere des Domizils. Lindsay, mit gezückter Kamera, folgte ihnen. Die beiden setzten das herausgeschnittene Paneel wieder ein, und die Frau besprühte die Kantstellen mit Dichtungsstoff aus einer winzigen Druckdose.
Der Präsident zog sich die Totenschädelmaske ab und prüfte schnüffelnd die Luft. Das Gesicht war flach, von Leberflecken übersät, die Nase wie bei einem Kaninchen. Sehr dünnes, rötlichblondes Haar; die Haut auf seinem Schädel schimmerte merkwürdig. Sie waren in eine Kantinenküche der Achten Orbital-Armee geraten: Es gab da Bodenkissen und niedrige Tische, einen Mikrowellenherd, eine Steige in Plastik verpacktes Proteinersatzzeug, ein Halbdutzend hoher Fermentierungs-Units, in denen es laut brodelte. Neben dem Zugang zu diesem Raum lag breit hingestreckt eine Frau auf dem Boden, deren Gesicht aussah, als hätte sie einen Sonnenbrand.
»Schön«, sagte der Präsident. »Zu essen haben wir.« Die Parlamentspräsidentin nahm die Maske ab: ihr Gesicht war knochig, die Augen darin geschlitzt und argwöhnisch. Ein schmerzhaft
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