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Schismatrix

Schismatrix

Titel: Schismatrix Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruce Sterling
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das nicht alle kleinen Laster?«
    »Aber, was ist das?«
    »Fetzchen von Karton, in einer Nikotinlösung getränkt. Und ein paar geschmackverbessernde Aromastoffe zusätzlich. Ist gar nicht so übel.« Er zog an der Zigarette; Lindsay stierte die glühende Spitze an, und ein Schaudern überlief ihn. »Mach dir mal keine Sorgen«, sagte Ryumin. »Hier ist es nicht wie in den übrigen Kolonien. Hier ist Feuer nicht gefährlich. Denn Dreck, der brennt schließlich nicht.«
    Lindsay sackte auf dem Boden zusammen und begann zu stöhnen. Sein Gehirn war überflutet von Gedächtnisstimulatoren. Der Kopf schmerzte ihn, und ein unbeschreibliches Kitzelgefühl überkam ihn, wie der erste Sekundenbruchteil beim Beginn einer Déjà-vu- Erfahrung. Ein Gefühl, wie wenn du nicht niesen kannst, obwohl es dich drängt.
    »Jetzt hab ich deinetwegen die Stelle versiebt«, sagte er verdrießlich. »Aber, was soll's? Wenn ich dran denke, was das alles früher einmal für mich bedeutete! Diese Theaterstücke, in denen alles steckt, was vom Leben der Menschen erhaltenswert ist ... Unser gemeinsames Erbe ... vor den Mechs ... vor den Shapers ... Menschenwürdiges Menschendasein, Sterbenmüssen und Sterbendürfen, ein Leben, das nicht fremdmanipuliert war.«
    Ryumin schnippte die Zigarettenasche in eine umgedrehte schwarze Objektivschutzkappe. »Also, Mister Dze, du redest genau wie ein zirkumlunatischer Eingeborener. Wie ein Concatenat. Wo bist du denn zu Hause, wo ist deine Heimatwelt? In der Crisium-SSR? Dem Copernicanischen Commonwealth?«
    Lindsay zog zischend Luft durch die Zähne.
    Ryumin sprach weiter: »Verzeih einem alten Mann seine bohrende Neugier.« Er stieß noch mehr Rauch aus und massierte die gerötete Stelle an seiner Schläfe, wo sonst die Videophone saßen. »Ich will dir mal sagen, was ich für dein Problem halte, Mr. Dze. Also, bisher hast du drei derartige Komposita heruntergeleiert: Romeo und Julia, Die tragische Historia des Doktor Faustus und jetzt auch noch Der Doppelselbstmord aus Liebe in Amijima. Ehrlich, mir bereiten diese Stücke einige Schwierigkeit.«
    »Oh?« sagte Lindsay mit schriller werdender Stimme.
    »Ja. Erstens: sie sind unverständlich. Zweitens: sie sind unglaublich, unmöglich, angekränkelt. Und drittens und schlimmstens: sie sind präindustriell...
    ... also laß mich dir mal verklaren, was ich meine. Du hast da diesen kühnen Schwindel auf die Beine gestellt, und du veranstaltest einen gewaltigen Wirbel, und du hast diesen ganzen Zaibatsuladen hier zu bibbernder Neugier hochgequatscht. Und wenn sich die Leute schon dermaßen anstrengen, sich für dein Zeug zu interessieren, dann solltest du es ihnen zumindest dadurch vergelten, daß sie ein bißchen Spaß dabei bekommen.«
    »Spaß?« sagte Lindsay.
    »Genau das. Ich kenne diese Sundogs. Was die haben wollen, das ist, daß man sie mit leichter Unterhaltung berieselt. Die wollen nicht mit irgendwelchen antiken Relikten auf den Schädel geknüppelt werden. Die wollen was von real-existenten Sozialwesen erfahren, nicht Geschichten über primitive Wilde.«
    »Aber so ist nun mal die menschliche Kulturgeschichte!«
    »Na und, wenn schon?« Ryumin paffte an seiner Zigarette. »Ich habe nachgedacht. Bisher habe ich drei von diesen ›Schauspielern‹ zu hören bekommen, also kenne ich das Medium. Viel steckt da nicht drin. Ich könnte dir so was für uns in zwei oder drei Tagen zusammenbrauen, glaube ich.«
    »Glaubst du wirklich?«
    Ryumin nickte. »Ein paar Sachen werden wir allerdings rauswerfen müssen.«
    »Zum Beispiel?«
    »Also, vor allem mal ist da der schwerfällige Ernst und die Schwerkraft. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, wie du irgendwas Brauchbares an Tänzen oder Kämpfen hinkriegen willst, außer im Freien Fall.«
    Lindsay richtete sich auf. »Aha, Tanz und Kampf, darum geht es also?«
    »Aber genau. Dein Publikum setzt sich aus Huren, Sauerstoff-Farmern, zwei Dutzend Piratengangs und fünfzig entsprungenen Mathematikern zusammen. Und allesamt würden sie nur zu gern Tanzereien und Kämpfe sehen. Wir werden also auf eine Bühne verzichten. Das ist zu platt. Die Vorhänge sind nur ärgerlich und hindern; das können wir alles per Lichtregie hinkriegen. Vielleicht bist du noch diese uralten Zirkumlunarsysteme gewöhnt, mit ihrem verdammten zentrifugalen Spin, aber moderne Leute lieben nun mal den Freien Fall. Und diese armen Schweine von Sundogs haben schließlich genug gelitten. Für die wird das so was wie ein Urlaub.«
    »Du

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