Schismatrix
Zuwendungen katastrophal aus. Er klappte auf seiner Tatami die Augendeckel auf und griff sofort nach der Diplomatentasche unter seinem Kopf. Als sich seine Finger über dem glatten Plastikgriff schlossen, schaltete sich eine Angstschaltung in seinem Hirn ab, doch diese anfängliche Erleichterung setzte nur weitere Systeme in Gang, und er erwachte gänzlich und war von einer benommenen gespannten Kampfbeeitschaft erfüllt.
Er begriff, er befand sich in Kitsumes Privatraum. Auf dem Abbild des lange toten Gartens stieg der Morgen herauf. Künstliches Tageslicht fiel schräg in den Raum und reflektierte von intarsienverzierten Kleiderkästen und der Perspex-Haube über einem fossilen Bonsai. Ein unterdrückter Wesensteil in ihm stieß ein verzweifeltes Lämmerblöken aus. Er achtete nicht darauf. Der neue Drogencocktail, auf dem er jetzt fuhr, hatte seine Shaper-Ausbildung in Höchstpotenz zurückgebracht, und er war keineswegs gewillt, seinen persönlichen Schwächen nachzugeben. Er steckte voll von jener Mischung aus Schnappfallenangespanntheit und gemächlicher selbstzufriedener Geduld, die ihn zum schärfsten Punkt seiner Wahrnehmungs- und Reaktionsfähigkeit hochbrachte.
Er setzte sich auf und sah Kitsune an ihren Keyboards. »Guten Morgen«, sagte er.
»Hallo, Darling. Hast du gut geschlafen?«
Lindsay überlegte. Eines der Antiseptika, die sie benutzte, hatte ihm die Zunge verätzt. Am Rücken hatte er Quetschungen, wo ihre shaperverstärkten Finger sich achtlos in ihn hineingebohrt hatten. In seinem Hals war eine unheilverkündende Rauheit spürbar - er hatte sich viel zu lange ohne Schutzmaske in freier Luft aufgehalten. »Mir geht's blendend«, sagte er und lächelte. Dann öffnete er die Mehrfachverriegelung seines Diplomatenköfferchens.
Er streifte sich die Ringe an die Finger und stieg in seine Hakamas.
»Möchtest du etwas essen?« fragte sie.
»Nicht vor der Spritze.«
»Dann hilf mir, meine Schaupuppe einzustöpseln.«
Lindsay unterdrückte ein Frösteln. Er verabscheute den verwitterten, wachsartigen Cyborg-Körper der Yarite , und Kitsune wußte es. Und sie zwang ihn, ihr dabei zu helfen, weil sie dadurch einen Maßstab für die Kontrolle hatte, die sie über ihn ausübte.
Lindsay begriff dies, und er wollte ihr auch helfen; er wollte ihr auf eine ihr begreifliche Weise eine Gegenleistung bieten für die Lust, die sie ihm bereitete.
Doch etwas in ihm lehnte sich dagegen auf. Wenn sein Training, wie dies immer zwischen den Injektionen der Fall war, nachließ, stiegen unterdrückte Emotionen in ihm auf, und ihm wurde bewußt, wie unendlich schrecklich-traurig ihre Liebesgeschichte war. Er empfand für sie so etwas wie Mitleid, eine Art freundschaftlicher Besorgtheit, und er würde ihr niemals die Schmach antun, dies ihr gegenüber zu erkennen zu geben. Es gab einiges, was er ihr schenken wollte: eine ganz schlichte Kameradschaft und ganz einfach Verläßlichkeit und Achtung.
Ganz schlicht und völlig fehlangebracht. Kitsune hievte die Yarite aus der von Biomonitoren bewachten Wiege unter den Bodenbrettern herauf. In gewisser Beziehung hatte dieses »Ding« die Schwelle zum klinischen Tod bereits überschritten; manchmal mußte man sie gewaltsam wieder in Funktion setzen, so wie man eine widerspenstige Maschine mit dem Kickstarter wieder zum Laufen bringt.
Die Wartung erfolgte nach den gleichen Verfahrenstypen, wie man sie bei der Lebenserhaltung der Cyborgs der Mechanisten der Alt-Radikalen und der Mech-Kartelle anwendete. Filter und Monitoren saßen bolidisch im Blutkreislauf des »Dings«; die inneren Düsen und Organe waren computergesteuert. Herz und Leber waren mit Implantaten bestückt, die das Organ durch Elektroden und durch Hormonzufuhr in Gang hielten. Das autonome Nervensystem der alten Frau war schon vor langer Zeit zusammengebrochen und hatte zu funktionieren aufgehört.
Kitsune checkte einen Ausdruck und schüttelte den Kopf. »Die Säurewerte steigen so rasch wie unsere Aktien, Liebster. Die Pfropfen retrogradieren das Hirn. Es ist schon ein sehr altes Ding. Zusammengehalten von Flickwerk und Drähten.«
Kitsune plazierte den Cyborg auf ein Tatami, richtete das alte Weib zu einer sitzenden Position auf und begann ihr vitaminisierte Pampe in den Mund zu löffeln.
»Du solltest selbst die Kontrolle übernehmen«, sagte er, während er einen Tropfstöpsel an das Leitröhrchen im venenübersäten Unterarm der Yarite anschloß.
»Das würde ich gern machen«, antwortete
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