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Schismatrix

Schismatrix

Titel: Schismatrix Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruce Sterling
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Komplikationen«, sagte sie sachkundig prüfend. »Wir haben das alle hinter uns. Und darum bist du jetzt fast einer von uns. Willst du, daß ich dich gleich eintrage, solang der Arm noch betäubt ist?«
    »Was?«
    »Die Tätowierung, Bürger ...«
    Die Vorstellung erregte ihm Übelkeit. »Wunderbar«, sagte er sofort. »Fang gleich damit an.«
    »Ich hab es ja gleich gewußt, von Anfang an, daß du richtig bist«, sagte sie und knuffte ihn in die Rippen. »Und deshalb bin ich auch besonders lieb zu dir. Ich werde dich nämlich intravenös mit ein paar Steroid-Anabolika aufmotzen. Damit haste in kürzester Zeit prachtvolle Muskeln. Und der President glaubt dann, du bist eine
    Naturbegabung.« Sie zerrte behutsam an seinem Unterarm; das stumpfe Knirschen der zersplitterten Knochenränder wirkte auf ihn, als passiere es weit entfernt, am Eingangsokular eines Teleskops.
    Die Frau zerrte einen nadelbestückten Tätowierungsapparat aus der Velcro-Wandhalterung. »Hast du bestimmte Lieblingsmotive?«
    »Ich möchte gern ein paar Schmetterlinge haben«, sagte Lindsay.
     
    Die Geschichte der »Fortuna Miners' Democracy« war echt unspektakulär. »Fortuna« war ein mittelgroßer Asteroid, etwas über zweihundert Kilometer im Durchmesser. Und im ersten Erfolgsrausch hatten die ursprünglichen Kuxe-Inhaber die Unabhängigkeit erklärt.
    Solange der Abbau fündig blieb, ging es ihnen gut. Sie konnten sich aus politischen Engpässen und Schwierigkeiten einfach freikaufen, und sie konnten sich die Lebensverlängerungs-Therapien anderer, fortschrittlicherer Welten leisten.
    Aber als das Erz abgebaut und Fortuna nichts weiter war als ein ausgeschlachteter Trümmerhaufen, entdeckten die Leute, daß sie katastrophale Fehlplanung getrieben hatten. Ihr Reichtum war futsch, und sie hatten es verabsäumt, die Technologie voranzutreiben, wie es die halsabschneiderische Praxis rivalisierender Kartelle nun mal erfordert. Mit ihrer überalterten Technologie und angesichts des rückständigen Wissens konnten sie einfach nicht überleben, noch konnten sie eine auf Information gründende Wirtschaft aufrechterhalten. Alle Versuche in dieser Richtung beschleunigten nur den Staatsbankrott.
    Das war der Anfang der Republikflucht. Die bestausgebildeten und beruflich ehrgeizigsten Staatsbürger folgten den Verlockungen des Braindrains und zogen in andere Welten. Fortuna verlor ihre Raumflotte, als Überläufer und Abtrünnige sich mit allem, was nicht niet- und nagelfest verankert war, davonmachten. Der Zusammenbruch erreichte Exponentialmaße, und die Regierungsgeschäfte gingen mehr und mehr auf eine immer stärker schwindende Zahl von sturen Dickschädeln über. Wegen der Überschuldung mußten sie ihre Infrastruktur an die Mech-Kartelle veräußern; ja sie mußten sogar ihre Luft an Meistbietende verkaufen. Die Bevölkerung schrumpfte auf eine Handvoll herumlungernder Asozialer zusammen, die meisten davon Sundogs, die auf Umwegen nach Fortuna gedriftet waren, weil sie sonst nirgends eine Chance bekamen.
    Aber selbstverständlich verfügte dieser Rest über die völlig legale Einrichtung einer Staatsregierung, einschließlich des dazugehörigen umfassenden Apparates wie Auswärtige Beziehungen und volles Diplomatisches Protokoll. Die Regierung und ihre Vertreter konnten Personen zu Staatsbürgern machen, eine eigene Währung ausgeben, geschützte Warenzeichen bestimmen, Verträge schließen und Verhandlungen über Rüstungskontrolle führen. Es waren möglicherweise ja nur so zehn, zwölf Personen, aus denen die Nation bestand, doch war dies bedeutungslos. Sie verfügten über ein Parlament, einen Senat, über staatsrechtliche Präzedenzfälle, auf die sie sich berufen konnten, und selbstverständlich über eine Staatsideologie.
    Also definierten sie »Fortuna«, ihr Nationalgebiet, neu und bestimmten, daß es innerhalb der Begrenzung der Red Consensus bestehe, ihres einzigen übriggebliebenen Raumschiffs. Und da sie nun diesermaßen über eine »mobile Nation« verfügten, konnten sie auch kraft gültigen Rechts den Besitz fremder Leute und Völker ihren Nationalgrenzen »angliedern«. Es war keine unrechtmäßige Aneignung, kein Diebstahl, denn Nationalgebilde und Völker können keinen Diebstahl begehen, ein Faktum im Interstellaren Recht, das den Chefideologen der FMD sehr zupaß kam. Einsprüche wurden an die Judikative im Staate Fortuna verwiesen, die nicht nur computerisiert, sondern auch zusätzlich an sich schon entsetzlich verfilzt

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