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Schismatrix

Schismatrix

Titel: Schismatrix Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruce Sterling
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Zahlungsmittel unter den elf Milliardären. Da Lindsay aber unseligerweise das jüngste Besatzungsmitglied war, hatte er sich bereits tief in Schulden stürzen müssen.
    »Mare Serenitatis«, sagte der alte Mann. »Die Corporative Republic.« Plötzlich fixierte er Lindsay mit seinen aschgrauen Augen. »Ich höre, du hast für die gearbeitet.«
    Lindsay war fassungslos. Die ungeschriebenen Gesetze der Sozialtabus innerhalb des Red Consensus verboten Gespräche über die Vergangenheit der Besatzungsmitglieder. Das Gesicht des alten Mechs hatte sich erhellt, während er sich seinem rücksichtslosen Erinnerungsschwall hingab. Jahrzehnte der immer gleichen physiognomischen Ausdrücke hatten in seine uralten Muskel- und Hautgewebe tiefe Furchen gegraben. Sein Gesicht wirkte wie eine abstoßende Maske.
    »Ich war nur kurz dort«, log Lindsay. »Ich kenne die Welt hinterm Mond nicht so gut.«
    »Ich bin dort geboren.«
    Rep-1 warf dem Alten einen bestürzten Blick zu. »Also schön, vierzigtausend«, sagte sie. Die beiden Frauen verschwanden zum Laboratorium. Der Präsident schob sich die Videoglotzer in die Stirn. Er bedachte Lindsay mit einem höhnisch-bösen Blick und drehte betont das Volumen seines Kopfsets höher. Die anderen beiden, Rep-2 und der ergraute Richter-3, schenkten dem Ganzen keine Beachtung.
    »In meiner Zeit hatte die Republic ein System«, sprach der Mech weiter. »Politische Familienclans. Die Tylers, Kellands, die Lindsays. Ferner gab es da noch eine Unterschicht von Flüchtlingen, die wir aufgenommen hatten, kurz vor dem Interdikt gegen die Erde. Die nannten wir die Plebejer , die Plebes . Das waren die Letzten, die den Absprung vom Planeten schafften, knapp bevor alles zerfiel. Also besaßen sie gar nichts. In unsern Taschen steckten die Kilowatts, und wir bewohnten die großen Landhäuser. Und für die gab es nur die winzigen Slums aus Plastik.«
    »Du warst also mal ein Aristo?« sagte Lindsay. Er konnte seine verhängnisvolle Neugier nicht unterdrücken.
    »Äpfel«, sagte der Mech traurig. Das Wort zitterte vor Erinnerungssehnsucht. »Hast du jemals einen Apfel gegessen? Das ist so 'ne Art Gemüsegewächs.«
    »Ich glaube, ja.«
    »Vögel. Wildparks. Gras. Wolken. Bäume.« Der rechte Arm des Mech surrte leise, als er mit einem drahtgelenkigen Prothesenfinger eine Kakerlake von der Konsole schnippte. »Ich hab es ja immer gewußt, daß es nur zu Problemen führen wird, die Geschichte mit den Plebern ... hab sogar mal ein Stück darüber geschrieben.«
    »Ein Stück? Ein Theaterstück? Wie hieß es?«
    In den Augen des alten Mannes zeichnete sich undeutlich so etwas wie Erstaunen ab. » The Conflagration. « {7}
    »Dann mußt du Evan James Taler Kelland sein«, sprudelte Lindsay unüberlegt hervor. »Ich ... äh ... ich habe dein Stück gesehen. In den Archiven.« Evan Kelland war der Urgroßonkel Lindsays. Er war ein wenig bekannter Radikaler, und sein gesellschaftskritisches Stück war jahrelang verschollen gewesen, bis Lindsay auf seiner Suche nach geistiger Munition es im Museum entdeckt hatte. Und er hatte eine Neuaufführung des Stückes auf die Beine gebracht, um die AltRadikalen vor den Kopf zu stoßen. Die Männer, die seinerzeit Kelland ins Exil getrieben hatten, waren nach hundert Jahren - am Leben erhalten dank der Mech-Technologien - noch immer an der Macht. Und als es ihnen an der Zeit schien, hatten sie Lindsay ebenfalls expatriiert und verbannt.
    Plötzlich fiel Lindsay ein, daß sie jetzt in den Cartellen waren. Constantine, der Abkömmling von Plebejern, hatte ein Geschäft mit den Drahtschädeln gemacht. Die Aristokratie hatte am Ende bezahlen müssen, genau wie Kelland es vorhergesagt hatte. Nur, er, Lindsay, und Kelland hatten eben etwas früher bezahlen müssen.
    »Du hattest Gelegenheit, mein Stück zu sehen?« Mißtrauen verwandelte die Alterslinien in Kellands Gesicht in tiefgefurchte Hautcanons. Er wandte den Blick ab, und seine aschgrauen Augen standen voller tiefem Schmerz und dunkler Scham. »Du hättest dir das besser überlegen sollen, du hattest kein Recht dazu. Es war impertinent!«
    »Es tut mir leid«, sagte Lindsay. Mit einem ganz neuen Ehrfürchtsschauder betrachtete er die mechanische Armprothese seines uralten Verwandten. »Wir wollen nicht mehr davon sprechen.«
    »Das wäre wohl am besten.« Kelland klappte die Kopfmuscheln wieder zu, sein Zorn schien sich zu verflüchtigen. Die Augen verblichen zu der alten milden Farblosigkeit. Lindsay schaute reihum die

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