Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schismatrix

Schismatrix

Titel: Schismatrix Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruce Sterling
Vom Netzwerk:
überraschend in den Bauch. Mit einem Keuchen krümmte Lindsay sich zusammen, und seine Velcro-Schuhe verloren den Kontakt mit der Wand. Es gab ein lautes reißendes Geräusch. Der Präsident packte Lindsay am Handgelenk, und mit einer Kurven-Drehbewegung heftete er Lindsays Sohlen an die Decke. »Ist das klar, daß du jetzt kopfunter hängst, ja?« Lindsay stand an der oberen, der dem Bug zugewandten Decke; der Präsident kauerte auf der Heckseite, so daß ihre Füße in entgegengesetzte Richtungen wiesen. Kopf unter funkelten seine Augen in Lindsays Augen. Sein Atem roch nach rohen Algen.
    »Das nennt man örtliche Vertikale«, sagte der Präsident. »Der Körper ist auf Schwerkraft konstruiert, und unsere Augen suchen unter allen Umständen nach einem Schwerpunkt; das Gehirn ist so gepolt. Du suchst immer nach geraden Linien, die senkrecht verlaufen, und du orientierst dich nach ihnen. Und dann erwischt es dich, Soldat, ist das klar?«
    »Yessir!« sagte Lindsay. In der Republic hatte man ihm von früher Kindheit an beigebracht, Gewalt für verächtlich zu halten. Der einzig erlaubte Einsatz von Gewalt war der gegen die eigene Person. Doch seit der flüchtigen Begegnung mit dem Killer-Antibioten hatte sich sein Denken etwas gewandelt.
    »Das ist nämlich haragei .« Der Präsident klatschte sich auf den Bauch. »Hier liegt dein Schwerkraftzentrum, dein Drehpunkt. Stößt du im Freien Fall auf einen Feind und rangelst mit dem rum, also, dann ist dein Kopf nichts weiter als ein Stengelende , verstanden? Wichtig ist nämlich, was sich im Mittelpunkt deiner Körpermasse abspielt. In deinem haragei . Deine Aktionen, die Stellen, von denen aus du mit Händen und Füßen losschlagen kannst, bilden eine Kugel. Und der Mittelpunkt dieser Kugel sitzt in deinem Bauch. Du mußt die ganze Zeit über dir dieser Kugelblase um dich herum bewußt sein.«
    »Yessir«, sagte Lindsay. Er war ganz gespannte absolute Aufmerksamkeit.
    »Das ist die Nummer eins«, sagte der Präsident. »Und jetzt reden wir über die Nummer zwei: Schotts. Die Kontrolle und Beherrschung der Schotts bedeutet, daß man den Kampfablauf beherrscht und bestimmt. Wenn ich meine Füße von diesem Schott hier löse und hochziehe, wie schwer kann ich dich dann deiner Meinung nach treffen?«
    Lindsay blieb vorsichtig. »Stark genug, mir die Nase zu zertrümmern, Sir.«
    »Genau. Aber wenn ich meine Füße fest einstemme, so daß mein eigener Körper mich gegen den Rückprall hält, was dann?«
    »Dann brechen Sie mir das Genick, Sir!«
    »Sauber gedacht, Rekrut. Ein Mann ohne feste Grundlage ist ein schwacher Mann. Wenn dir sonst nichts zur Verfügung steht, dann benutzt du den eigenen Körper des Feindes als Festpunkt. Zurückweichen ist der Feind der Schlagkraft, des Stoßes. Der Stoß bedeutet Störung. Störung bedeutet den Sieg. Kapiert?«
    »Zurückweichen ist der Feind der Stoßkraft. Stoßkraft bedeutet Störung. Störung bedeutet den Sieg«, wiederholte Lindsay blitzschnell. »Sir.«
    »Sehr fein«, sagte der Präsident. Dann langte er zu und brach mit einem saftigen Schnappen in einer raschen Drehbewegung Lindsay den Unterarm über dem Knie. »Und das war Nummer drei«, sagte er in Lindsays schmerzlichen Schrei hinein. »Der körperliche Schmerz.«
     
    »Jaja«, sagte die Beigeordnete Richterin. »Ich sehe schon, er hat dich mit der alten Nummer drei bekannt gemacht.«
    »Jawohl, Frau Richter«, sagte Lindsay.
    Die Beigeordnete Richterin schob ihm eine Nadel in den Arm. »Das kannst du jetzt vergessen«, sagte sie sanft. »Hier ist nicht das Militär, hier bist du in der Krankenstation. Und du kannst gern einfach Richter-Zwei zu mir sagen.«
    In dem gebrochenen Arm breitete sich wie Flüssiggummi dumpfe Betäubung aus. »Danke, Richter!« Die Zweite Richterin war eine ältere Frau, vielleicht so an die hundert Jahre. Das war schwer zu sagen; der beständige Mißbrauch von Hormontherapien hatte ihren Körpermetabolismus in ein Flickwerk aus lauter Anomalien verwandelt. An den Kinnbacken war sie von jugendlichen Aknepusteln gesprenkelt, aber die Handgelenke und Schienbeine waren von porösen Hautabsonderungen und Krampfadern bedeckt.
    »Du schaffst es schon, Außenminister, bestimmt«, sagte sie und schob Lindsays Arm durch das schlaffe Gummimaul eines betagten CAT-Scanners. Vom Rand aus surrten multiple Röntgenstrahlen, und auf dem Scannerschirm erschien ein sich drehendes dreidimensionales Abbild von Lindsays Arm.
    »Glatter sauberer Bruch, keine

Weitere Kostenlose Bücher