Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schismatrix

Schismatrix

Titel: Schismatrix Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruce Sterling
Vom Netzwerk:
vor.
    »Das können wir nicht«, warf der Präsident des Höchsten Appellationsgerichts ein. Er war ein gebrechlicher alter Mechanist, der zu Nasenblutungen neigte. »Er ist noch immer Minister des Äußeren und kann nur nach Anklage und Verurteilung nebst Aufhebung seiner Immunität seitens des Senats belangt werden.«
    Die drei Senatoren, zwei Männer und eine Frau, machten interessierte Gesichter. Der Senat bekam in den Regierungsgeschäften dieser winzigen Republik recht selten etwas Aufregendes zu entscheiden. Senatoren waren die am wenigsten vertrauenswürdigen Besatzungsmitglieder, und natürlich waren sie zahlenmäßig dem Parlament unterlegen.
    Lindsay zuckte die Achseln. Es war ein ganz hervorragendes Achselzucken; er hatte sensorisch das Kinesogramm des Präsidenten aufgefangen, und die subliminale Mimikry entschärfte die Situation für jenen entscheidenden Augenblick, den Lindsay benötigte, ehe er seinen Sermon loslassen konnte. »Es handelte sich um einen politischen Auftrag.« Eine gelangweilte anödende Stimme, der bleierne Klang moralischer Erschöpftheit. Damit entschärfte er den Blutdurst der anderen, verwandelte die Situation in eine überschaubare, vorhersehbare und ermüdende Angelegenheit. »Ich handelte im Auftrag der Mare Serenitatis Corporate Republic. Dort hatten sie einen Staatsstreich. Sie wollen bald eine Menge von ihren Leuten in den Zaibatsu ins Exil schicken, und ich hatte den Auftrag, die Sache vorzubereiten.«
    Sie glaubten es ihm. Er unterlegte seiner Stimme etwas mehr Kolorit. »Aber sie sind Faschisten. Ich arbeite lieber für eine demokratische Regierung. Außerdem haben sie mir einen Antibioten auf den Hals gesetzt - zumindest vermute ich jedenfalls, daß sie es waren.« Er lächelte und breitete unschuldsvoll die Hände, bewegte die Arme im lockerer gewordenen Griff der Leute, die ihn festhielten. »Ich habe euch nicht belogen, oder? Ich habe nie behauptet, daß ich kein Killer bin. Außerdem, bedenkt doch mal, was für Geld ich für euch rangeschafft habe.«
    »Ja, das stimmt«, sagte der Präsident mürrisch, aber gerecht. »Aber mußtest du dem Ding denn wirklich den Kopf absägen?«
    »Ich handelte auf Befehl«, sagte Lindsay. »Das kann ich besonders gut, Mr. President. Probier es doch mal mit mir!«
     
    AN BORD DER ›RED CONSENSUS‹: 13-6-'16
     
    Lindsay hatten den Kopf des Cyborgs gestohlen, damit Kitsune frei werde, um sicherzustellen, daß ihre Machtspielchen nicht ans Licht gelangten. Er hatte sie hintergangen, doch hatte er ihr die Freiheit gegeben, und dies war seine Art, sie um Verzeihung zu bitten. Der Shaper-Killer würde mit dem Verbrechen belastet werden. Lindsay hoffte, daß die Geisha Bank den Kerl in Stücke reißen werde.
    Er steckte das Entsetzen beiseite. Seine Shaper-Ausbilder hatten ihn vor derartigen Gefühlsregungen gewarnt. Wenn ein Diplomat in eine neue Umwelt geworfen wurde, sollte er möglichst jeden Gedanken an Vergangenes abstreifen und sofort soviel schützende Tarnfärbung wie möglich annehmen.
    Lindsay ordnete sich seiner Ausbildungsdisziplin unter. Zusammengepfercht in dem winzigen Raumschiff mit den elf Angehörigen der Fortunatischen Nation, empfand Lindsay das semiotische Umfeld beinahe als körperlich belastend. Es würde ihm schwer werden, eine klare Perspektive zu bewahren, eingesperrt, wie er es hier mit elf Irrsinnigen in dieser Sardinenbüchse war.
    Seit seiner Schulzeit im Shaper Ring Council hatte Lindsay sich nicht mehr in einem echten Raumschiff befunden. Der Frachtschlepp der Mechs, in dem er ins Exil befördert wurde, zählte da nicht: dort waren die Passagiere weiter nichts als unter Drogen gesetztes Fleisch. Aber in der Red Consensus , da lebten die Insassen; und das Ding war schon seit zweihundertfünfzehn Jahren im Dienst.
    Nach wenigen Tagen erschlüsselte sich Lindsay aus kleinen Beweisstücken, die er im Innern des Raumfahrzeugs entdeckte, mehr über die Geschichte der Kapsel, als die Fortune Miners selbst wußten.
    Die Besatzungsdecks der Consensus waren einst im Besitz eines terrestrischen Konglomerats gewesen, einer Staatseinheit von mittlerweile ausgestorbenen Ethnogruppen, die sich selbst als Vereinigte Sowjets (abgekürzt UdSSR) bezeichnet hatten. Man hatte diese Decks von der Erde aus heraufgeschossen, und sie sollten hier eine in einer Serie von »Verteidigungsstellungen im Erdorbit« bilden.
    Das Raumschiff war von zylindrischer Gestalt, die Besatzungsquartiere setzten sich aus vier angekoppelten

Weitere Kostenlose Bücher