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Schismatrix

Schismatrix

Titel: Schismatrix Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruce Sterling
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war.
    Aus Rechtsstreitigkeiten bezog die Piratennation den Großteil ihres Finanzpolsters. Die meisten Fälle konnten außergerichtlich durch Vergleich geregelt werden. In der Mehrzahl handelte es sich einfach darum, die Piraten so hoch zu bestechen, daß sie sich freiwillig verzogen. Allerdings bestanden die Piraten auf peinlich genauer Erfüllung der Formalien und waren stolz darauf, ihrerseits die üblichen Höflichkeiten nie außer acht zu lassen.
     
    AN BORD DER ›RED CONSENSUS‹: 29-9-'16
     
    »He, was machst du denn im Schwitzkasten, Außenminister?«
    Lindsay zeigte ein schütteres Lächeln. »Die Rede zur Lage der Nation«, sagte er. »Die möchte ich mir gern ersparen.« Das rhetorische Gesabber des Präsidenten dröhnte durch das Raumschiff und sickerte noch an der schlanken Gestalt der Vorsitzenden der Volksvertreter vorbei. Sie schob sich in den Strahlungs SchutzCompact und drehte die schwere Schleusentür hinter sich zu.
    »Kein besonders patriotisches Verhalten, Außenminister. Du bist schließlich neu in dem Job. Du solltest ihm zuhören.«
    »Ich hab das Zeug für ihn geschrieben«, sagte Lindsay, und ihm war bewußt, daß er diese Frau mit Vorsicht behandeln mußte. Sie machte ihn nervös. Ihre geschmeidigen Schlangenbewegungen, die unheilschwangere Vollkommenheit ihres Äußeren und die geschärfte, zuweilen übertrieben scharfe Intensität ihres Blicks, das alles zusammen verriet Lindsay, daß die Person ein Reshape war, daß sie umgebaut worden war.
    »Ihr Shaper-Kerle«, sagte sie gerade, »ihr seid so glatt wie Glas.«
    »Sind wir das?« fragte er.
    »Ich bin keine Shaperin«, sagte sie dann. »Schau dir doch bloß mal meine Zähne an.« Sie riß den Mund auf und ließ Lindsay einen schräg vorgestellten und übergreifenden Schneidezahn und einen schiefen Eckzahn sehen. »Siehste? Schlechte Zähne ... schlechte Genetikbehandlung.«
    Lindsay blieb skeptisch. »Das hast du doch selber so hingedreht.«
    »Ich bin richtig geboren worden«, sagte sie mit Nachdruck. »Ich bin nicht aus 'ner Glaspipette.«
    Lindsay fuhr sich über eine abschwellende Prellung, die er an einem seiner hohen Wangenbeine beim Kampftraining abgekriegt hatte. Es war heiß hier drin im Kasten, und er fühlte sich beengt. Und er konnte diese Frau riechen.
    »Ich war ein Beutestück, okay«, gestand das Mädchen dann ein. »Nur ein befruchtetes Ei, aber eine Bürgerin von Fortuna hat mich ausgetragen.« Sie zuckte die Achseln. »Die Zahnmißstellung, die hab ich allerdings selber produziert, soviel stimmt, und ich geb es zu.«
    »Dann bist du also eine Wild-Shaper«, sagte Lindsay. »So was ist ziemlich selten. »Hast du jemals deine Quotienten checken lassen?«
    »Meinen Intelligenzquotienten? Nein. Ich kann nämlich nicht lesen«, sagte sie stolz. »Aber ich bin Abgeordneter Nummer Eins, und Einpeitscher für die Mehrheitsfraktion. Und ich bin mit SenatorNummer-Eins verbandelt.«
    »Ehrlich? Davon hat er mir nie was gesagt.«
    Die junge Shaper rückte sich das schwarze Stirnband zurecht. Die rotblonden Haare darunter waren lang und mit grellrosa Krokodilszahnklammern bestückt. »Haben wir aus Steuergründen so gemacht. Sonst... also vielleicht würde ich dir ja 'nen Saft spendieren. Du siehst ganz nett aus, Außenminister.« Sie schwebte dichter an ihn heran. »Geht es dir jetzt besser, seit der Arm wieder in Ordnung ist?« Sie krallte mit einer Fingerspitze vorsichtig über die tätowierte Haut seines Handgelenks.
    »Wir haben ja immer noch Karneval...«, schlug Lindsay vor.
    »Ach das, nö, das zählt nicht«, sagte sie. »Da kannste doch gar nicht richtig merken, ob ich es bin, wenn du dermaßen auf Aphrodisachen gestiegen bist.«
    »Es sind aber noch drei Monate bis zum Rendezvous«, sagte Lindsay. »Also hab ich noch dreimal die Chance zu raten.«
    »Ah, du warst schon mal im Karneval«, sagte sie. »Dann weiste ja, wie das ist, wenn man/frau auf Aphros hochgejubelt ist. Hinterher, Bürger, da biste nämlich nicht mehr du selber. Da biste bloß noch ein plattgewalzter Fleischteppich.«
    »Oh, vielleicht hätte ich da einige Überraschungen für dich bereit«, sagte Lindsay. Und ihre vier Augen bohrten sich ineinander.
    »Wenn du das versuchst, Außenminister, bring ich dich um. Ehebruch ist bei uns ein Verbrechen.«
     
    AN BORD DER ›RED CONSENSUS‹: 13-10-'16
     
    Einer der Bordkakerlaken weckte Lindsay, indem er an seinen Wimpern zu knabbern begann. Lindsay fuhr ärgerlich auf, schlug nach dem Ding, und es

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