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Schismatrix

Schismatrix

Titel: Schismatrix Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruce Sterling
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Paolo vorbei an die Barrikade und brüllte laut: »Abélard! Abélard! Es ist wahr! Ich schwöre es bei allem, was zwischen uns ist! Abélard, du bist doch nicht hirnlos, laß uns doch leben! Ich will leben ... «
    Paolo preßte ihr die Hand über den Mund und riß sie zurück. Sie klammerte sich an die Barrikade, die inzwischen fest verklebt war, und starrte den Gang hinunter. Dort schwebte eine weiße Gestalt. Ein Raumanzug. Keiner von den mavridischen, sondern einer der aufgeblähten Schutzanzüge von der Red Consensus .
    Gegen diesen Panzeranzug nutzte Paolos Schleuder nichts. »Da ist es«, murmelte er. »Jetzt kommt die Spitze.« Er gab Nora frei und zog aus seiner Bluse eine Kerze und eine flache mit Flüssigkeit gefüllte Blase. Er rollte die Blase um die Kerze und verschnürte das Ganze mit einer seiner Ärmelfransen. Er schwang die Bombe. »Jetzt werden sie brennen.«
    Nora schlang ihm ihre Schärpe um den Hals. Sie stemmte das gesunde Knie in sein Kreuz und zerrte heftig. Paolo gab einen Laut von sich, der wie das Platzen eines Rohres klang, und stieß sich vom Eingang weg. Seine Finger krallten sich in die Schärpe. Er war stark. Er war der, der Glück hat.
    Nora zog fester zu. Abélard lebte. Der Gedanke verlieh ihr Kraft. Sie zog noch fester. Paolo zerrte genauso heftig dagegen. Seine Fäuste umklammerten den grauen Stoff des Gurtes so gewaltsam, daß aus seinen von Nägeln zerfetzten Handflächen kleine halbmondförmige Blutblasen austraten.
    Schreie draußen im Gang, weiter unten. Schreie und das Zischen der Handsäge.
    Und nun hatten sich der Knoten, der Krampf in Noras Schultern, der nie verschwunden war, bis in ihre Arme ausgebreitet, und Paolo mußte gegen Muskeln ankämpfen, die starr wie Eisen waren. In der plötzlich eintretenden Stille hörte sie seinen Atem nicht mehr. Der zerknautschte Saum des Gürtels war in seinem Nacken verschwunden. Er war tot, aber er zerrte immer noch weiter.
    Sie ließ die Enden der Schärpe aus den verkrampften Fingern gleiten. Paolo drehte sich langsam in der Schwerelosigkeit um sich selbst. Sein Gesicht war schwarz angelaufen, die Arme erstarrt in der letzten Bewegung. Es sah gerade aus, als strangulierte er sich selbst.
    Durch das sichelförmige Loch am Rand der Barrikade schob sich eine blutbedeckte behandschuhte Hand. Aus dem Innern des Raumanzugs drang ein gedämpftes Summen. Er versuchte zu ihr zu sprechen.
    Sie eilte zu ihm. Er lehnte den Kopf gegen die Außenfläche der Barrikade und schrie in seinem Kopfhelm: »Tot! Sie sind tot!«
    »Nimm den Helm ab«, sagte sie.
    Er zuckte mit der rechten Schulter unter dem Anzug. »Mein Arm!« schrie-flüsternd er.
    Sie steckte eine Hand durch den Spalt und half ihm, den Helm abzuschrauben. Mit einem saugenden Schmatzen löste sich der Helm, und dann roch sie den vertrauten Gestank seines Körpers. Unter seinen Nasenlöchern saßen halbkoagulierte Blutbatzen, und hinter dem linken Ohr ebenfalls; eine auch in seinem linken Ohr. Er war unter Dekompression geraten.
    Behutsam fuhr sie ihm mit der Hand über die verschwitzte Wange. »Wir leben noch, oder nicht?«
    »Sie wollten dich umbringen«, sagte er. »Das konnte ich nicht zulassen.«
    »Genau wie bei mir.« Sie warf einen Blick nach hinten, auf Paolo. »Ihn zu töten, das war wie Selbstmord. Ich glaube, ich bin tot.«
    »Nein. Wir gehören zueinander. Sag es, sag, daß es so ist, Nora.«
    »Ja, es ist so!« Sie preßte das Gesicht blindlings an den Spalt, der sich zwischen ihnen auftat. Er küßte sie, und der Kuß hatte den scharfen salzigen Geschmack von Blut.
    Die Zerstörung war gründlich erfolgt. Kleo hatte die Sache zu Ende gebracht. Sie war in einem Raumanzug hinausgekrochen und hatte das Innere der Red Consensus mit einem klebrigen Kontaktgift ausgesprüht.
    Aber Lindsay war vor ihr dort gewesen. Er war über das Loch des nackten Raums gesprungen, hatte sich dekomprimiert, um sich einen der Raumanzüge zu holen. Er hatte Kleo in der Kommandozentrale ertappt, und in ihrem dünnen Anzug war sie ihm nicht gewachsen; er hatte ihren Anzug aufgerissen, und sie war an ihrem eigenen Gift gestorben.
    Sogar der Roboter der »Familie« hatte gelitten. Während sie durch die Tarnkammer zogen, hatten die beiden Reps ihm eine Lobotomie verpaßt. Der Betrieb im Abschußring lief mit manischer Geschwindigkeit, denn der hirnlos gemachte Roboter schaufelte Tonne um Tonne Kohlenerz in die überladene und rülpsende Wetware. Ein schäumender Ausstoß plastischen Materials ergoß

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