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Schismatrix

Schismatrix

Titel: Schismatrix Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruce Sterling
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Keiner konnte sie hier herausholen, keiner würde es tun. Man würde einfach unterstellen, daß der Außenposten ausgelöscht sei. Irgendwann einmal, stellte er sich vor, wird dann jemand der Sache nachgehen, aber erst in vielen Jahren.
    Einmal, nachts, nachdem sie einander geliebt hatten, blieb Lindsay wach und spielte an dem Mechano-Arm des toten Piraten herum. Das Ding faszinierte ihn, es bot irgendwie Trost; dadurch daß er jung starb, überlegte Lindsay sich, war ihm wenigstens die jetzige Situation erspart geblieben. In Lindsays eigenem rechten Arm war nahezu überhaupt kein Gefühl mehr vorhanden. Nach der Geschichte mit dem Geschütz hatte sich der neurotransmittorische Zustand Lindsays rapide verschlechtert, und die Kampfverwundungen hatten das nur beschleunigt.
    »Diese verdammten Geschütze«, sagte er laut. »Irgendwer wird irgendwann einmal hierherkommen. Wir sollten diese Scheißwaffen in Stücke brechen, um der Welt zu demonstrieren, daß wir so was wie Anstand besaßen. Ich würde das ja selbst tun, aber ich bring es nicht über mich, das Zeug anzufassen.«
    Nora sagte schlaftrunken: »Na, und wenn schon? Sie funktionieren doch nicht mehr.«
    »Klar. Entschärft sind sie.« Und das war eine seiner triumphalen Großtaten. »Aber sie könnten erneut scharfgemacht werden. Das sind bösartige Dinger, Liebes. Wir sollten sie total zerstören.«
    »Wenn dir dermaßen viel dran liegt...« Noras Augen öffneten sich. »Abélard, wie war das, wenn wir eins davon abschießen würden?«
    »Nie!« sagte er sofort.
    »Und wenn wir die Consensus mit dem Teilchenstrahler zur Explosion bringen? Das würde doch bestimmt jemand sehen.«
    »Sehen was? Daß wir Verbrecher sind?«
    »Früher hätte das nur bedeutet, daß da ein paar Piraten krepiert sind. Und das Geschäft wäre reibungslos weitergelaufen. Aber jetzt wäre das ein Skandalon, ein ungeheuerlicher Stolperstein, Sie würden einfach jemand rausschicken müssen, der uns holt. Und sei es nur, um sicherzustellen, daß so was nie wieder geschieht.«
    »Du wärest also bereit, diese Fassade der Friedfertigkeit aufs Spiel zu setzen, die sie den Außerirdischen vorgaukeln? Auf die bloße Chance hin, daß jemand kommt und uns hier rausholt? Oh, Feuer und Tod, denk doch bloß mal daran, was die uns antun würden, wenn sie hierher kämen!«
    »Na, was denn? Sie könnten uns töten. Na und? Wir sind doch bereits tot. Ich aber will, daß wir leben! «
    »Auch als Verbrecher? Verachtet und angespuckt von allen?«
    Nora lächelte bitter. »Für mich wäre das nichts Neues.«
    »Nein! Nora, es gibt Grenzen.«
    Sie streichelte ihn zärtlich. »Ja, ich verstehe.«
    Zwei Nächte darauf erwachte er voller Entsetzen, weil der Asteroid erbebte. Nora war fort. Zunächst dachte er an eine Meteoritenkollision, was selten genug vorkam, aber dennoch furchteinflößend war. Er horchte auf das Zischen eines Lecks, aber die Tunnelgänge schienen noch immer dicht zu sein.
    Als er dann Noras Gesicht sah, begriff er, was wirklich der Fall war. »Du hast das Geschütz abgefeuert.«
    Sie war durcheinander. »Ich habe die Consensus losgemacht, bevor ich sie abgeschossen habe. Ich bin rausgegangen auf die Außenseite. Da draußen ist etwas Komisches, Abélard. Aus dem Abschußring ist Plastik in den Raum hinausgequollen.«
    »Davon will ich nichts hören.«
    »Ich mußte es tun. Für uns. Verzeih mir, mein Liebster. Ich schwöre dir, ich werde dich nie wieder hintergehen.«
    Er dachte dumpf und verschlossen nach. »Und du meinst, sie werden kommen?«
    »Es ist eine Chance für uns. Und ich wollte, daß wir eine Chance bekommen.« Sie war nicht ganz bei der Sache. »Tonnen von Plastik. Wie Paste hinausquellend. Wie ein riesiger dicker Wurm.«
    »Eine Panne«, sagte Lindsay. »Wir werden denen sagen müssen, daß es nur eine Panne war.«
    »Und jetzt werde ich das Geschütz vernichten.« Sie schaute ihn schuldbewußt an.
    »Was passiert ist, ist eben passiert.« Er lächelte betrübt, dann streckte er die Hand nach ihr aus. »Aber das hat Zeit.«
     
    ESSAIRS XII: 17-7-'17
     
    Irgendwann inmitten seiner Träume vermerkte Lindsay ein wiederholtes Pochen. Wie stets erwachte Nora zuerst und war sofort hellwach. »Abélard, da ist ein Lärmen ...«
    Lindsays Erwachen war schmerzlich, seine Augenlider wie verklebt. »Was ist denn? Schon wieder ein Leck?«
    Nora glitt unter der Bettdecke hervor und stieß sich mit dem nackten Fuß von Lindsays Hüftbein ab. Sie drosch auf den Lichtschalter. »Steh auf,

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