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Schismatrix

Schismatrix

Titel: Schismatrix Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruce Sterling
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auszudrücken.«
    Lindsay lächelte ausweichend. »Du bist stets in meinem Haus willkommen, Mister Beyer. Nora spricht oft von dir.«
    »Wie schmeichelhaft. Doktor-Oberst Mavrides ist eine bezaubernde Gastgeberin.« Beyer verbarg seine Enttäuschung, doch seine Kinesik ließ Anzeichen von Ungeduld erkennen.
    Beyer wollte fort, er wollte mit einem anderen Uralt-Pfeiler der Gesellschaft Kontakt aufnehmen. Lindsay verübelte ihm dies nicht im geringsten; der Mann erledigte schließlich nur seinen Job.
    Auch Lindsay selbst nahm einen gewissen Rang im Sicherheitsdienst ein. Er war Captain-Doktor Abélard Mavrides, mit Lehrauftrag für »Investor-Soziologie« an der Kosmosity von Goldreich-Tremaine. Selbst noch in diesen späten Tagen des Investorischen Friedens war für Zugehörige des akademischmilitärischen Herrschaftskomplexes der Shapers ein Posten in der Staatssicherheit unumgängliches Muß. Und Lindsay spielte das Spielchen mit, wie alle anderen auch.
    In seiner Rolle als Theatermanager allerdings erwähnte Lindsay seinen Rang niemals. Beyer wußte natürlich bestens darüber Bescheid, und so war es einzig dem Schmierfett ihrer diplomatischen Höflichkeit zu danken, daß die beiden befreundet sein konnten.
    Beyers hellblaue Augen streiften forschend durch das Foyer, das voller Leute war, und plötzlich wurde sein Gesicht starr. Lindsay folgte seinem Blick.
    Beyer hatte jemanden entdeckt. Und Lindsay schätzte den Mann sofort ab: Perlmikrophon an der Lippe, Ohrclip-Audiophone, die Kleidung relativ schäbig-unmodisch. Ein Leibwächter. Und kein Shaper: Der Mann hatte sich die Haare mit antiseptischer Pomade glatt zurückgestrichen, und seinem Gesicht mangelte die shaperische Symmetrie.
    Lindsay griff sich sein Videomonokel, setzte es vors rechte Auge und begann aufzuzeichnen.
    Beyer hatte die Geste bemerkt und lächelte nun mit einem leicht säuerlichen Anflug. »Es sind vier im ganzen«, sagte er. »Deine Produktion hat eine hochkarätige Persönlichkeit zu interessieren vermocht.«
    »Sie sehen aus wie Concatenaten«, sagte Lindsay.
    »Ein Staatsbesuch«, erwiderte Beyer. »Er ist incognito gekommen. Das Staatsoberhaupt der Republik Mare Serenitatis. Der Vorsitzende Philip Khouri Constantine.«
    Lindsay wandte sich ab. »Ich kenne den Herrn nicht.«
    »Er ist kein Freund der Detente«, sagte Beyer. »Ich kenne ihn auch nur dem Namen nach. Kann dich also leider nicht vorstellen.«
    Lindsay schob sich die Wand entlang, den Rücken geflissentlich der Menge zugekehrt. »Ich muß mal in mein Büro. Möchtest du gern eine mitrauchen?«
    »Lungenrauchen?« fragte Beyer. »Ich habe es mir nie angewöhnt.«
    »Nun, dann mußt du mich jetzt entschuldigen.« Lindsay floh.
     
    »Nach zwanzig Jahren«, sagte Nora Mavrides. Sie saß vor ihrer Konsole, die Security-Jacke nachlässig über die Schultern drapiert, so ein bernsteingoldenes Blouson unter einer schwarzen Capa zur Schau stellend.
    »Welcher böse Geist hat bloß von ihm Besitz ergriffen?« fragte Lindsay. »Genügt ihm denn seine Republik nicht?«
    Nora dachte laut. »Die Militaristen müssen ihn hergeholt haben. Die brauchen ihn, um ihre Sache hier in der Hauptstadt zu unterstützen. Er genießt Ansehen. Und er ist eben ein Gegner der Detente.«
    »Klingt einleuchtend«, sagte Lindsay, »aber nur dann, wenn du dir die Sachen von hinten anschaust. Die Militaristen glauben , daß Constantine ihr Schmusetierchen unter den Ungeplanten sei, ihr getreuer General, aber sie kennen seinen brennenden Ehrgeiz nicht. Und sie haben wohl auch keine Ahnung von seinen Möglichkeiten. Er hat sie manipuliert.«
    »Hat er dich gesehen?«
    »Nein, glaub ich nicht. Und wenn, dann nehme ich an, er hätte mich wohl kaum erkannt.« Lindsay stieß mäklig den Löffel in einen Becher Pharma-Yoghurt. »Mein Alter macht mich unkenntlich.«
    »Mir rutschte fast das Herz in den Bauch, als ich die Aufzeichnung von deinem Monokel gesehen habe. Abélard, diese letzten Jahre ... wir hatten es so gut... Wenn er wüßte, wer du bist, der Mann könnte uns vernichten.«
    »Nicht so leicht.« Lindsay zwang sich mit einer Grimasse den Yoghurt zu essen. Es war eine Spezialbrut für Non-Shapers, deren Verdauungstrakt steril gemacht worden war. Von den Verdauungsenzymen hatte der Brei einen scharfbitteren Geschmack. »Constantine könnte mich natürlich denunzieren. Aber, was ist, wenn er es wirklich tut? Wir hätten noch immer unsere Aliens. Und diese Investoren kümmern sich einen Dreck um meine

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