Schiwas feuriger Atem
gingen zur Uhr.
Noch nicht.
Noch nicht.
Gleich. Durchhalten. Es muß klappen. Die Nerven nicht verlieren.
O mein Gott …
Diego sah die Rückstoßflamme von Jagens’ Geschoß vor dem Hintergrund von glitzerndem Staub und Gestein aus dem farbigen Dampfstrom herausschießen.
Nein …!
Carl Jagens war verrückt: Konnte er die Welt nicht retten, so sollte es auch kein anderer tun.
Wie hypnotisiert starrte Lisa abwechselnd auf die Uhr und auf den Radarschirm. Nach den Zahlen konnte sie sich nicht mehr richten. Das Geschoß würde vor der errechneten Abschußzeit da sein. Sie würde früher zünden müssen. Schiwa würde nicht in der optimalen Position sein, nicht dort, wo nach Ansicht der Mathematiker eine maximale Ablenkung gewährleistet war.
Die Zahlen waren falsch, ganz falsch.
Sie faßte nach dem Knopf.
Mikrosekunden.
Die Zeit dehnte sich, wurde abgebremst, wurde elastisch. Die Leuchtziffern sprangen um, die Sterne kreisten.
Sie mußte handeln. Besser zu früh als überhaupt nicht. Auf Nummer Sicher gehen. Besser zu früh als zu spät.
Du stirbst.
Denk nicht daran. Sterben müssen alle. Denk an deine Arbeit. Dienst ist Dienst.
Mikrosekunden.
Sie griff nach dem Knopf.
Diego sah das Geschoß explodieren. Doch es flog in Stücken auseinander, es war keine atomare Explosion.
Ein Asteroid? Es hatte irgend etwas getroffen oder war von irgend etwas getroffen worden. Es flog zu schnell, zu ungestüm. Etwas, das die Natur vor Äonen auf den Weg gebracht hatte, war sein Tod.
Dann kam die Explosion auf Schiwas anderer Seite.
Der Felsen erzitterte, schleuderte Diego von seinem geschützten Platz. Schlaff, bewußtlos wirbelte er in den Raum.
Licht!
Eine mächtige Kraftwelle teilte den Staub und die kochenden Gase, riß den Asteroiden herum.
Aber er flog weiter.
Lisa blutete aus dem Munde. Sie brauchte nicht darüber zu spekulieren, warum Carls Geschoß sie nicht erreicht hatte. Sie versuchte, möglichst viel Blut hinunterzuschlucken, denn die Tröpfchen schwebten im Helm herum und blieben überall an der Innenseite kleben.
Luftdruck: null. Das Schiff war irgendwo leck.
Schiwa?
Ihr Fahrzeug war weggeschleudert worden, und es dauerte einen Augenblick, bis der Navigationscomputer die richtigen Sterne gefunden hatte und sich orientieren konnte.
Mühsam strichen Lisas Finger über die Tastatur ihres Bordcomputers.
Schiwa hatte seine Richtung ein wenig geändert. Langsamer war er geworden, die Richtung hatte er geändert. Aber so geringfügig!
Genügte es?
»JPL, JPL, hier Omega I, können Sie mich hören? Haben wir es geschafft, ich wiederhole, haben wir es geschafft? Bestätigen Sie!« Wir haben nichts mehr, dachte sie. Bestätigt gefälligst, zum Donnerwetter!
Während der Sekunden, die sie warten mußte, bis Computer und Transmittoren ihre Sendung durchgegeben hatten, ging es ihr blitzartig auf: Diego!
Nein, nicht denken.
Dienst ist Dienst. Heulen kannst du später.
Verdammt, antwortet doch!
In langsamen Drehungen trieb Diego mit allerlei aus dem Schwarm herausgeschleuderten Objekten durch den Raum. Der weitläufige kometenartige Schwarm überholte Schiwa. Staub, Gestein, kleinere Brocken kamen auf gleiche Höhe mit ihm, durchstießen den vielfarbigen Gasstreifen, prallten auf der sonnenerleuchteten Seite auf, zersprangen oder prallten ab, flogen in den verschiedensten Richtungen weiter. Andere Teile des Schwarms segelten lautlos vorbei, verursachten Turbulenzen im Staub, flogen weiter, ein mächtiger Schrotschuß aus der Zeiten Anfang – sein Ziel: die Wohnstätte des Menschen.
»Omega I, hier JPL. Wir hören Sie voll. Die Hochrechnung ist im Gange. Wir geben sie Ihnen gleich durch. Wie geht es Ihnen, Lisa? Hier ist Chuck Bradshaw. Ende.«
»Ich … alles in Ordnung. Ich glaube nicht, daß sonst noch jemand am Leben ist. Ich habe Kabinendruck verloren.
Treibstoff ist fast alle.« Ich werde es auch nicht schaffen, dachte sie.
»Halten Sie durch, Lisa. Eddie Manx ist von Station I gestartet und auf dem Wege zu Ihnen. In schätzungsweise zwölf Stunden wird er bei Ihnen sein. Ende.«
Was nützt das? Dann bin ich schon tot. Für zwölf Stunden habe ich keine Luft mehr. Irgendwas hat den achtern Tank blockiert, und ich habe es nicht einmal gemerkt. Vielleicht sollte ich ihnen sagen, sie sollen sich keine unnütze Mühe machen.
Nein, warte. Es können ja noch andere am Leben sein, Omega II, vielleicht sogar … Diego.
»Erwarte Eintreffen, JPL. Und … danke. Omega I,
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