Schiwas feuriger Atem
sich selbst erhalten können und über ein ökonomisches Potential verfügen.«
Nachdenklich blinzelnd lauschte Lisa dem Redefluß des Präsidenten: »Mit Schiwas Metallen können wir so viele Schutzschilde produzieren wie wir wollen – gegen kosmische Strahlen, Hochenergieprotonen, Sonnenprotuberanzen – alles mögliche. Wir brauchen die Besatzungen nicht regelmäßig auf die Erde zurückschicken, um die Strahlenbelastung niedrig zu halten. Sie und Ihr Team haben mehr getan, als eine furchtbare Bedrohung abzuwenden. Sie haben uns eine ganz neue Möglichkeit verschafft, aus den Tiefen der Schwerkraft herauszukommen und aufzusteigen, eine Brücke zum Mond, zu den Sternen zu bauen. Und dort zu leben.«
»Wie …?« Dieser Mensch, dieser Unbekannte, der solange im Schatten Knowles’ gestanden hatte – der dachte plötzlich an so etwas? Hatte er das aus anderer Leute Hirn? Nein, dazu war keine Zeit gewesen. Vielleicht hatte er recht. Himmeldonnerwetter, vielleicht hatte er tatsächlich recht.
Piep.
Lisa fuhr auf. Piep? Was hatte hier zu piepen?
Schwerfällig richtete sie sich auf und sah sich um. Auf dem Schirm des Ortungsgeräts erschien ein einzelner Fleck – die Helmradio-Notfrequenz.
Piep.
Piep.
Ganz unvorschriftsmäßig schaltete Lisa die Erdfrequenz ab und legte den Hebel um, der die Scheibe des Orters pirschen und jagen ließ. Sie betete inständig, das Gerät möge noch funktionieren und nicht bloß ein loses Stück Drahtverhau sein …
Piep.
Diego?
Carl?
Piep.
Lisa schwenkte das Teleskop herum, warf einen Blick auf die Koordinaten, sah hinein. Wegen ihres Helms konnte sie mit dem Auge nicht nahe genug herankommen. Ungeduldig schaltete sie das Bild auf den Hauptschirm um.
Irgend etwas Weißes trieb zwischen den Sternen.
Diego.
Piep.
Wild pumpte ihr Herz. Sie wendete ihr Schiff und richtete es auf den weißen Klecks. Die Verständigung über Helmradio mit einem außerhalb des Schiffes befindlichen Gesprächspartner war nie besonders gut, wenigstens nicht ohne Repetitionsantenne, und die hatte sie nicht mehr.
Piep.
Es mußte Diego sein.
Oder Diegos Leichnam.
Ping. Ping.
Immer noch prallte Raummüll träge von der Kapsel ab, doch jetzt schon merklich weniger. Der größte Teil des Schwarms hatte den verlangsamten und abgelenkten Schiwa hinter sich gelassen.
Piep.
Sie blickte auf den Schirm. Es sah tatsächlich aus wie Diegos Raumanzug.
Es war Diegos Raumanzug!
Mit vorsichtigen Jetstößen manövrierte sie das Schiff und paßte seine Geschwindigkeit der des Schwebenden an. Sie entfernten sich rasch von Schiwa. Sie brachte das Schiff in etwa dreißig Meter Distanz von Diego zum relativen Stillstand. Dann löste sie ihre Gurte, überprüfte die Kompressor-Jets und ließ sich an einer Sicherheitsleine von zweifacher Länge aus dem Schiff treiben.
Die Dunkelheit wich, aber der Schmerz war noch da. Er hörte eine blecherne, ferne Stimme: »Diego! Diego, Liebster!«
Er wandte den Kopf und versuchte, etwas zu erkennen. Da war irgendwas, ein großes dunkles Auge mit dem verschwommenen Reflex der Sonne. Es kam ganz nahe, berührte ihn. Warum benutzte dieser Mensch nicht das Radio? Immer vorschriftsmäßig!
»Diego! Ich bin’s Lisa!«
Ihr Helm berührte den seinen. Sie trieben in der Schwärze. Er lebte. Alles tat ihm weh, aber er war am Leben – und sie auch!
»Haben wir’s geschafft?« fragte er heiser, hustete sich den Hals frei und fragte nochmals: »Haben wir’s geschafft?«
»Wir haben’s geschafft. Aber wir müssen zum Schiff zurück. Deine Luft ist ja beinahe alle!«
Sie drehte ihn herum, und sein Kopf wurde etwas klarer. Ohne ihre Hilfe manövrierte er sich mit seinen Jets zum Schiff hinüber. Durch die Luke sah er den toten Nino Solari auf seinem Sitz.
Lisa war dabei, die Leiche hinauszuholen, doch er unterbrach sie und schüttelte den Kopf, denn Nino hatte noch Luftreserven in seinem Helm, die man übernehmen konnte.
Lisa beugte sich zu ihm, klinkte sein Radio aus und ersetzte es durch eins von Solaris Helmradios. »Großartig«, seufzte Diego mit einem tiefen Atemzug.
»Ist nicht mehr viel drin«, sagte sie, »bloß noch für ein paar Stunden.«
»Ja«, erwiderte er stirnrunzelnd, »das reicht nicht für uns.«
»Nein.«
Stumm sahen sie einander an. Er berührte ihren Arm, und sie legte ihre behandschuhte Hand auf die seine.
»He«, stieß er hervor, »da war doch irgendwas mit dem Notfallbetrieb – dieses LOX.«
»Flüssiges Oxygen – ja, natürlich!«
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