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Schiwas feuriger Atem

Schiwas feuriger Atem

Titel: Schiwas feuriger Atem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gregory Benford & William Rotsler
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zwischen den Bäumen entlangging. »Was ist das da?« Sie deutete auf einen gußeisernen Gitterzaun, der links von ihnen durch die Bäume sichtbar wurde. Er war so alt und wacklig, daß er stellenweise fast auf der Erde lag.
    »Alter Friedhof«, murmelte Kingsley geistesabwesend.
    »Den möchte ich mir mal ansehen.«
    Sie fanden das quietschende Tor. Knorriges Unterholz wuchs an den Pfaden und schlug an die weißlichen Grabsteine. Hier ließ der spärliche Baumbewuchs mehr von der bleichen Nachmittagssonne durch, und die Gegend wirkte offener, hingegebener an den wolkenverhangenen Himmel. Nebelschwaden schmiegten sich an die regenstreifigen Marmorkopfsteine auf dem düsteren, leicht abfallenden Grund. Die lange Reihe der kastenartigen Grabstätten wirkte wie eine Straße mit niedrigen Häusern. An den Eingängen der kleinen Mausoleen waren Schlüssellöcher, Türgriffe, Fenstersimse, sogar richtige Türklopfer. Dunkel patinierte bronzene Rechtecke, spinnwebüberzogen, kalt. Lisa empfand das bleiche Steinwerk als leicht komisch; es erinnerte sie an den verzerrten Realismus von Horrorfilmen. Sie sah sich nach Kingsley um, der einen Kiesweg entlangstapfte, und war überrascht, weil er ein so böses Gesicht machte.
    »Hast du das hier auch mal für ›Seitenblicke‹ verwendet?« fragte sie.
    »Diese Knochensammlung? Nein«, erwiderte er kurz. Er blieb stehen und las die Inschrift einer Grabstelle aus bräunlichem Sandstein: »Barnworth, Hauptmann der Garde Ihrer Majestät, et cetera. Bestattet 1897. Sieh mal her!« Er deutete auf das durchgerostete Gitterwerk in der Tür. Lisa spähte durch den engen Schlitz in die quadratische Grabstätte. »Siehst du das da? Das Häufchen Holzmehl auf dem Boden? Da hat sich eine Ratte in den Sarg hineingenagt.«
    »Aha. Ja.« Sie verspürte weder Ehrfurcht noch Angst, noch Ekel.
    Kingsley stapfte zur nächsten Grabstätte. »Das hier ist nett. ›Endlich vereint‹. Kann man wohl sagen.«
    Lisa atmete tief ein und aus. »Kingsley, weißt du, warum ich dich angerufen habe? Nach so langer Zeit?«
    Er biß sich auf die Lippe und starrte die Ornamentik an. »Ich kann dir allenfalls sagen, was ich mir dabei gedacht habe.«
    »Nämlich?«
    »Daß es eine verdammt gute Gelegenheit wäre, ein Exklusiv-Interview von dir zu kriegen.«
    »Oh.«
    »Na ja, weißt du – das stimmt ja schließlich auch. Dieser Gedanke kommt unsereinem unwillkürlich. Es wäre ausschlaggebend für meine Karriere.« Mit plötzlichem Auflachen richtete er sich hoch. Es klang schrill und gezwungen. »Ich wäre ganz oben auf dem guten alten Haufen. Wie lange? Sieben Monate? Wär schon nicht schlecht.«
    »Daran habe ich nun wirklich nicht gedacht.«
    »Ich schon.« Er wandte sich zu ihr um. »Ich bin nun mal so geworden, Mona Lisa.«
    »Ich wußte gar nicht mehr, daß du diesen alten Namen für mich hattest.«
    »Ich hatte eine ganze Menge für dich.«
    »Einst.«
    »Und du warst anscheinend nicht sonderlich daran interessiert.«
    Lisa zuckte die Achseln, und als Kingsley das sah, wandte er sich so heftig ab, daß der Kies unter seinen Schuhen aufspritzte und gegen einen Grabstein flog.
    »Fromme Leute, was?« sagte er laut und deutete abrupt den Pfad der Grabstätten und Gräber entlang. »Sieh dir das an. ›Von der Schwäche des Menschen zur ewigen Kraft Gottes.‹ Blödsinn. Eigennützige Träume.«
    »Wem sollen Träume denn nutzen, wenn nicht einem selbst?« fragte Lisa gelassen.
    Er schien sie gar nicht zu hören. Er schritt weiter zur nächsten Grabstätte und stieß dabei eine ausgewachsene blütenlose Dornenranke zur Seite. »Ha! ›Unvergänglich bleibet die Ehre‹. Na, du blutiggottverdammter alter Mister Geoffry Birdsley-Smith, Esquire, O… {2} – sie ist aber vergangen, deine Ehre, und verflucht weit weg ist sie sogar!« Er rüttelte am eisernen Gitterwerk. Rost blätterte ab und machte rotbraune Flecken auf seine Handschuhe. Wütend schlug er die Hände zusammen, um sie wegzukriegen.
    »Kingsley, ich …«
    »Eine Lausebande war das damals, und sie wußten es nicht einmal! ›Mein Harren ist vorüber‹. Schwachsinn! Ach, du fromme Mary Ellen Brooks, deine Knochen sind jetzt ein Rattennest, dein Fleisch ist Staub – was hältst du jetzt von deinem hoffnungsvollen Sprüchlein, he?«
    »Ich glaube nicht …«
    Kingsley trat von dem vergitterten Guckfenster zurück. »Ach? Die haben aber geglaubt.« Er wandte sich wieder um und breitete die Arme aus, als spräche er zu den Grabsteinen. »Habt ihr doch,

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